Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Auszahlungsanspruch. Unzulässigkeit der Einbehaltung von laufendem und zukünftigem Elterngeld. Erfüllung eines Erstattungsanspruchs des Grundsicherungsträgers. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Mitteilung des Einbehalts als Verwaltungsakt. Erstattungsanspruch nur für fällige Nachzahlung von Elterngeld. erforderliche Vorleistung von Grundsicherungsleistungen des Grundsicherungsträgers. Zweck der Vermeidung von Doppelleistungen. Pflicht der Elterngeldbehörde zur selbstständigen Prüfung einer Erstattungsanmeldung des Jobcenters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Mitteilung eines Einbehalts bewilligter Leistungen aufgrund der aus einem 1. Erstattungsanspruch eines anderen Trägers resultierenden Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, so dass die statthafte Klage zur Durchsetzung des Auszahlungsanspruchs eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) ist (Anschluss an BSG vom 6.8.2014 - B 11 AL 2/13 R = BSGE 116, 267 = SozR 4-4200 § 34a Nr 1).

2. Ein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs 1 SGB 10 und damit die Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs 1 SGB 10 kommen nicht für zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung des vorrangig verpflichteten Trägers erst künftig fällig werde Leistungen in Betracht, denn § 104 Abs 1 SGB 10 setzt voraus, dass der vorrangig verpflichtete Leistungsträger seiner Leistungspflicht verspätet nachgekommen ist (Anschluss an BSG vom 25.1.1994 - 7 RAr 42/93 = BSGE 74, 36 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8).

3. Ein Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende gegenüber der vorrangig verpflichteten Elterngeldstelle setzt nach § 40a S 1 SGB 2 iVm § 104 Abs 1 SGB 10 voraus, dass der Grundsicherungsträger zum Zeitpunkt der Bewilligung der vorrangigen Leistung für den Erstattungszeitraum bereits selbst Leistungen erbracht hat.

 

Orientierungssatz

1. Die Elterngeldbehörde ist gehalten, im Falle einer Erstattungsanmeldung durch den Grundsicherungsträger (hier: Jobcenter) im Rahmen des Verwaltungsverfahrens in eigener Zuständigkeit das Bestehen eines Erstattungsanspruchs zu prüfen (vgl LSG Stuttgart vom 21.6.2016 - L 11 EG 1547/15), um zu ermitteln, ob der Auszahlungsanspruch aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB 10 erloschen ist.

2. Insoweit steht ihr als vorrangig verpflichtete Leistungsträgerin für die Dauer der Aufklärung der Frage, ob ein Erstattungsanspruch besteht, ein zur vorläufigen Leistungsverweigerung berechtigendes Zurückbehaltungsrecht zur Seite, sofern und soweit sie von einer - teilweisen - Erfüllung nach § 107 Abs 1 SGB 10 ausgehen kann (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 21/09 R = BSGE 106, 206 = SozR 4-1300 § 103 Nr 3 RdNr 27).

 

Tenor

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang der Beklagte (Elterngeldstelle) bzw. der Beigeladene (Jobcenter) die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten hat.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber, ob die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn sich der Rechtsstreit anders als durch Urteil erledigt. Vorliegend hat sich das Verfahren aufgrund der Klagerücknahme der Klägerin vom 20.12.2016 erledigt.

Die Bestimmung der Verpflichtung zur Kostenerstattung dem Grunde nach und deren Umfang erfolgt nach sachgemäßem bzw. billigem Ermessen. Dabei steht grundsätzlich der nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrenserfolg im Vordergrund. Danach ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt bzw. - im Falle einer Erledigungserklärung - dessen Rechtsstreit auch vor Wegfall eines Rechts-schutzbedürfnisses unter Berücksichtigung des bis dahin vorliegenden Sach- und Streitstandes voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (BSG v. 13.12.2016 - B 4 AS 14/15 R, RdNr. 7; juris). Nach diesen Grundsätzen entspricht es der Billigkeit, wenn der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt, weil die Klage Aussicht auf Erfolg hatte.

Zwar hätte die von der Klägerin als echte Leistungsklage erhobene Klage sachgerecht als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben werden müssen, da es sich bei dem vom Beklagten mit Schreiben vom 17.4.2015 mitgeteilten endgültigen Einbehalt der Leistungen in Höhe von 1.845,00 € um eine Regelung und somit um einen anzufechtenden Verwaltungsakt handelte (vgl. BSG v. 6.8.2014 - B 11 AL 2/13 R, RdNr. 14 „Das LSG ist auch zu Recht von der Zulässigkeit der Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) ausgegangen. Die angefochtenen Bescheide vom 7.1.2010 bzw. 19.1.2010, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.6.2010, enthalten in Bezug auf die vorgenommenen Einbehaltungen von den kalendertäglichen Leistungsbeträgen, die Nichtauszahlung in bestimmter Höhe und die Ankündigung der Auszahlung ...

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