Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Festsetzung. Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Verfahrensgebühr. Einigungsgebühr. Erstattung von Auslagen für angefertigte Fotokopien aus der Verfahrensakte

 

Leitsatz (amtlich)

1. In sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind die Nrn 3500ff RVG-VV und nicht die Nrn 3200ff RVG-VV anwendbar.

2. Die Einigungsgebühr in einem sozialgerichtlichen Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem Betragsrahmengebühren anfallen, richtet sich nicht nach Nr 1007 RVG-VV, sondern nach Nr 1006 RVG-VV.

3. Eine Berücksichtigung von Auslagen für angefertigte Fotokopien durch den Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht möglich, wenn der Rechtsanwalt die gesamte Verfahrensakte hat ablichten lassen. In diesem Fall ist das Gericht auch nicht zur Festsetzung der für erforderlich gehaltenen Fotokopien verpflichtet.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 27. Mai 2009 (Az. S 137 AS 1…./08 ER) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer legte im Juli 2008 namens der drei Antragsteller Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Berlin ein, durch den ihr Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgelehnt worden war. Die Ablehnung hatte das Sozialgericht im Wesentlichen damit begründet, dass die Antragsteller als polnische Staatsangehörige keine Leistungsberechtigte nach dem SGB II seien. In dem Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg fand am 14.10.2008 ein Erörterungstermin statt, der mit dem Abschluss eines von der Berichterstatterin angeregten Vergleichs endete. Im Rahmen des Erörterungstermins gewährte das LSG den Antragstellern für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers als Rechtsanwalt.

Mit Schriftsatz vom 02. März 2009 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Vergütung nach folgender Berechnung:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3204, 1008 VV RVG

644,80 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG

200,00 EUR

Einigungsgebühr nach Nr. 1007 VV RVG

250,00 EUR

Dokumentenpauschale, 126 Fotokopien Nr. 7000 VV RVG

 36,40 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG

 35,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Summe netto

 1.186,20 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

225,38 EUR

Fahrtkosten Nr. 7004 VV RVG

 6,50 EUR

Gesamtbetrag

 1.418,08 EUR.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 737,21 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde:

Verfahrensgebühr nach Nr. 3501, 1008 VV RVG

208,00 EUR

Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV RVG

100,00 EUR

Einigungsgebühr nach Nr. 1007 VV RVG

250,00 EUR

Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Fahrtkosten Nr. 7004 VV RVG

 6,50 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG

 35,00 EUR

Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG

117,71 EUR

Gesamtbetrag

 737,21 EUR.

Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin u. a. aus, dass die Verfahrensgebühr sich nach Nr. 3501 VV RVG richte, da Nrn. 3200 ff. VV RVG nur für bestimmte Beschwerden gälten. Die Beschwerde über die Zurückweisung der einstweiligen Anordnung sei dort nicht aufgeführt. Nach den Kriterien des § 14 RVG sei für die Verfahrensgebühr der Betrag von 130,00 € billig, wobei die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 78 € wegen Mehraufwand bei zwei weiteren Auftraggebern hinzukäme. Hinsichtlich der Terminsgebühr nach Nr. 3515 VV RVG sei von einer leicht über dem Mittelwert liegenden Gebühr auszugehen. Die Einigungsgebühr könne antragsgemäß festgesetzt werden, da Nr. 1007 VV RVG für alle Rechtsmittelverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens Anwendung finde. Die beantragte Dokumentenpauschale sei nicht festzusetzen. Der Rechtsanwalt müsse sein Ermessen ausüben und dürfe nicht kurzerhand die gesamte Akte ablichten lassen. Bei der Durchsicht der Kopien sei festgestellt worden, dass ab einer bestimmten Blattzahl die gesamte Akte fotokopiert worden sei, darunter auch viele nicht ausgefüllte Antragsformulare. Da das Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden sei, komme eine Erstattungspflicht nicht in Betracht.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 18. Juni 2009, die hier am selben Tag eingegangen ist. Der Erinnerungsführer meint, unter Geltung der Gebührenrahmen der Nrn. 3501, 3515 VV RVG sei es unbillig nur die Mittelgebühr bzw. die um 30 % erhöhte Mittelgebühr in Ansatz zu bringen. Das entspreche nicht annähernd dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Die Antragsteller hätten sich in einer schweren Notlage befunden, so dass der Ausgang des Verfahrens für sie beinahe von existenzieller Bedeutung gewesen sei. Bei einem Termin, der über zwei Stunden gedauert habe und sorgfältig vorb...

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