Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahren über die Feststellung der Hinzuziehungsnotwendigkeit iS von § 63 Abs 2 SGB 10. Höhe der Geschäfts- und Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bestimmung der Geschäftsgebühr für Widerspruchsverfahren über die Feststellung der Zuziehungsnotwendigkeit eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 63 Abs 2 SGB 10 ist der Gebührenrahmen der Nr 2400 VV RVG zugrunde zu legen.

2. Für Verfahren über die Feststellung der Hinzuziehungsnotwendigkeit ist in der Regel - vorbehaltlich von Besonderheiten des Einzelfalles - von einer Geschäftsgebühr bzw einer Verfahrensgebühr in Höhe von 60% der jeweiligen Mittelgebühr auszugehen.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts vom 28. Februar 2013 - S 84 AL 8204/12 - wird zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 9. März 2012 hatte der Bevollmächtigte des Erinnerungsgegners anwaltlichen Widerspruch gegen den Mahngebührenbescheid der Erinnerungsführerin vom 27. Februar 2012 eingelegt. Mit Abhilfebescheid vom 24. Juli 2012 hob die Erinnerungsführerin den Mahngebührenbescheid vom 27. Februar 2012 auf und traf darin folgende “Kostenentscheidung: Nach § 63 Abs. 1 SGB X werden die im Widerspruchsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auf Antrag und gegen Nachweis erstattet. … Die Zuziehung eines Bevollmächtigten wird nicht für notwendig im Sinne des § 63 Abs. 2 SGB X anerkannt.„. Den dagegen am 27. Juli 2012 eingelegten und mit dreiseitigem Schriftsatz vom 17. Oktober 2012 begründeten Widerspruch wies die Erinnerungsführerin mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 zurück, wogegen der Erinnerungsgegner am 12. Dezember 2005 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhob. Die Klagebegründung vom 12. Dezember 2012, in welcher die Tatbestandsvoraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage des § 63 Abs. 1 SGB X unter den dargelegten Sachverhalt subsumiert wurden umfasste drei Seiten Text. In der Klageerwiderung vom 1. Februar 2013 erkannte die Erinnerungsführerin die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten sowie die Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsgegners dem Grunde nach an. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2013 nahm der Erinnerungsgegner dieses Anerkenntnis an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt und beantragte die Kostenfestsetzung lt. nachstehender Berechnung:

Widerspruchsverfahren - W 5459/12 -

Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG

240,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 49,40 EUR

Summe

   309,40 EUR

Widerspruchsverfahren - W 3959/12 -

Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG

240,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 49,40 EUR

Summe

   309,40 EUR

Klageverfahren

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG

170,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

200,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 74,10 EUR

Summe

   464,10 EUR

Gesamtsumme

 1082,90 EUR

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2013 nahm die Erinnerungsführerin dazu wie folgt Stellung:

I. Vorverfahren gegen die Festsetzung der Mahngebühr (W3959/12)

… ≪ inzwischen unstreitig≫

II. Vorverfahren gegen die Kostengrundentscheidung (W5459/12)

Geschäftsgebühr Nr. 2401 VV RVG

 80,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 16,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %)

 18,24 EUR

Summe

114,24 EUR

Im vorliegenden Fall sei nach ihrer Auffassung eine Tätigkeit des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vorausgegangen, so dass sich die Geschäftsgebühr zunächst nach Nr. 2401 VV RVG richte. Nach Abs. 2 der Nr. 2401 VV RVG könne eine Gebühr von mehr als 120,00 EUR nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien im vorliegenden Fall unterdurchschnittlich gewesen. Hierbei seien zum einen der zeitliche Aufwand und die Intensität der anwaltlichen Tätigkeit berücksichtigt worden und zum anderen diese Kriterien bei objektiver Betrachtung gewertet. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei, wenn überhaupt, durchschnittlich gewesen. In Bezug hierauf komme es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit, an. Umstritten gewesen seien nicht wiederkehrende oder Existenz sichernde Leistungen, sondern im Ergebnis Aufwendungen für ein abgeschlossenes Widerspruchsverfahren. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers seien unterdurchschnittlich gewesen. Ein besonderes Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus weise das hiesige Verfahren keine sonstigen Besonderheiten auf, die eine höhere Gesc...

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