Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr gem RVG-VV Nr 3103. Nachliquidation im Vergütungsfestsetzungsverfahren. Berücksichtigung von Warte- und Vorhaltezeiten

 

Orientierungssatz

1. Die nachträgliche Geltendmachung einer höheren Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens oder der nachträgliche Ansatz eines höheren Satzrahmens ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren immer dann nicht möglich, wenn es darum geht, eine ursprünglich von dem Rechtsanwalt - nach seinem Ermessen bestimmte - Gebühr zu erhöhen.

2. Wartezeiten und Vorhaltezeiten, wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Verhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten dar, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2010 (S 156 AS 187/10) geändert und der Betrag der aus der Landeskasse zu gewährenden Vergütung wird auf 378,42 EUR festgesetzt. Der Erinnerungsgegner hat einen Betrag von 145,18 EUR an die Landeskasse zu erstatten. Die Anschlusserinnerung wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Sätze 2 u. 3 RVG.

 

Gründe

I.

In dem, dem Kostenrechtsstreit zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren um die Anfechtung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides betreffend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - iHv 329,19 EUR für einen Zeitraum von einem Monat war die Terminsstunde auf 11:30 Uhr angesetzt. Der Termin zur mündlichen Verhandlung begann tatsächlich um 12:26 Uhr und endete um 12:43 Uhr. Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag machte der Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer eine Vergütung wie folgt geltend:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG

170,00

Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG

250,00

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG

  20,00

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

  83,60

insgesamt:

523,60 EUR.

Der Erinnerungsgegner und Anschlusserinnerungsführer begründete seinen Ansatz ua damit, dass er ca 1 Stunde vor dem tatsächlichen Beginn des Termins zur mündlichen Verhandlung habe warten müssen. Es ergäbe sich daher eine Terminsdauer von ca eineinviertel Stunden, wobei das Überschreiten der Mittelgebühr nach Nr. 3106 VV RVG nicht unbillig sei.

Die Urkundsbeamtin hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Aufgrund des von dem Beklagten des Hauptsacherechtsstreits abgegebenen Kostengrundanerkenntnisses forderte sie im Wege des Anspruchsüberganges auf die Landeskasse einen Betrag von 523,60 € von dem Beklagten zurück, der gegen diese gerichtliche Kostenrechnung im Wege der Erinnerung vorging. Auf die Erinnerung hat die 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin mit Beschluss vom 27. Juli 2011 zum Verfahren S 164 SF 3105/11 E die gerichtliche Kostenrechnung geändert und den Erstattungsbetrag auf 378,42 € (Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00; Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 128,00; Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00; Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 60,42; insgesamt: 378,42 €) vermindert. Zur Begründung hat die 164. Kammer ua ausgeführt, beim Umfang der Tätigkeit im Rahmen der Bestimmung der angemessenen Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG sei auch zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte eine knappe Stunde habe auf den Verhandlungsbeginn warten müssen. Unter Darlegung weiterer Erwägungen hat die 164. Kammer angenommen, dass der Ansatz der Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV RVG nicht unbillig ist. Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG ist jedoch merklich unterhalb der Mittelgebühr in Ansatz zu bringen, da der Termin letztlich nur 17 Minuten gedauert habe und mit der Gebühr die Vertretung in einem Termin abgegolten werde.

Der Erinnerungsführer begehrt nunmehr die Abänderung der durch die Urkundsbeamtin vorgenommenen Vergütungsfestsetzung. Er verweist vollständig auf den bereits zitierten Beschluss der 164. Kammer des Gerichts.

Der Erinnerungsgegner wendet sich gegen die Erinnerung und macht mit seiner Anschlusserinnerung nunmehr eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG iHv 300,00 € unter Festhalten an einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG iHv 250,00 € geltend. Zur Begründung trägt er vor, er habe nicht zu seinem Vergnügen auf dem Gerichtsflur gewartet. Darüber hinaus seien mit der Terminsgebühr alle Tätigkeiten des Rechtsanwaltes abzugelten, die mit dem Termin in einem Zusammenhang stünden, insbesondere auch die An- und Abfahrt sowie die Wartezeit im Gericht. Soweit das Gericht in seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass mit der Terminsgebühr Wartezeiten nicht abzugelten seien, begehre er mit der Anschlusserinnerung die Abänderung der Vergütungsfestsetzung dahingehend, dass nunmehr eine höhere Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG begehrt werde. Eine Wartezeit auf den Verhandlungsbeginn von 1,25 Stunden s...

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