Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. keine Reduzierung der Wohnflächengrenze nach Auszug der erwachsenen Kinder. verfassungskonforme Auslegung des Angemessenheitsbegriffs

 

Orientierungssatz

Eine Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "angemessenen Größe" des Hausgrundstücks in § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 dahingehend, dass eine Reduzierung der Personenzahl wegen Auszugs der erwachsen gewordenen Kinder zu einer Nichtanwendbarkeit des in § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 enthaltenen Schutzes des Lebensmittelpunkts und damit zu einer Verwertbarkeit des Hausgrundstücks führt, würde gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG verstoßen.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 10.12.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2010 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, die den Klägern für den Zeitraum 01.12.2007 bis 31.10.2009 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II als Zuschuss zu gewähren.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

5. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Kläger auf Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.12.2007 bis 31.10.2009 als Zuschuss statt als Darlehen.

Der am K. geborene Kläger zu 1) und die am L. geborene Klägerin zu 2) beziehen seit dem 01.01.2005 bei der im Auftrag des Beklagten handelnden Samtgemeinde M. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Kläger sind miteinander verheiratet und je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des Hausgrundstücks C., Gemarkung N., Flurstück O. in der Gemeinde E.. Das Grundstück hat eine Größe von 973 qm und ist bebaut mit einem Einfamilienhaus mit Garage, Baujahr 1977, die Wohnfläche beträgt ca. 122 qm. Die Kläger haben zwei Kinder, das Haus wurde mit erheblichen Eigenleistungen nach der Geburt des ersten und vor der Geburt des zweiten Kindes errichtet. Die Kläger haben das mittlerweile schuldenfreie Haus in der Folgezeit dann durchgängig mit den beiden Kindern bewohnt, bis diese nach Abschluss der Berufsausbildung das Elternhaus verließen und heute beide auswärtig einer Berufstätigkeit nachgehen.

Die Samtgemeinde M. gewährte den Klägern Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts bis einschließlich November 2007 als Zuschuss. Die weitere Leistungsbewilligung ab Dezember 2007 erfolgte seitens der Samtgemeinde M. mit diversen Bescheiden, die mit Ausnahme eines Bescheides allesamt nicht streitgegenständlich und - soweit ersichtlich - rechtskräftig geworden sind, als “vorläufiges Darlehen„. Wörtlich hieß es in diesen Bescheiden: “Da Sie Eigentümer von möglicherweise zu verwertendem Vermögen sind, das Sie zur Bestreitung Ihres Lebensunterhalts einzusetzen hätten, gewähre ich Ihnen die Leistungen als vorläufiges Darlehen gem. § 23 Abs. 5 SGB II. Eine endgültige Entscheidung hierüber trifft der Landkreis P.. Sie erhalten dann einen gesonderten Bescheid.„

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 17.11.2008 bewilligte die Samtgemeinde M. den Klägern für den Zeitraum 01.12.2008 bis 31.05.2009 monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 902,-- Euro monatlich, ebenfalls als "vorläufiges Darlehen" mit dem soeben zitierten Hinweis. Den Widerspruch der Kläger, der sich gegen die darlehensweise Bewilligung richtete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage ging am 13.08.2009 beim Sozialgericht Aurich ein. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 15 AS 863/09 geführt.

Für die anschließenden Monate bis einschließlich November 2009 erfolgte wiederum eine Leistungsbewilligung als “vorläufiges Darlehen„ mit dem oben zitierten Zusatz. Auch diese Bescheide sind nicht streitgegenständlich. Seit dem 01.11.2009 bezieht der Kläger zu 1) Altersrente. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II werden seit diesem Zeitpunkt nicht mehr bezogen.

Mit dem als Grundbescheid bezeichneten Bescheid vom 10.12.2009 gewährte der Beklagte die Grundsicherungsleistungen ab dem 01.12.2007 als Darlehen nach § 23 Abs. 5 SGB II unter weiteren Nebenbestimmungen, die sich auf die Darlehensbedingungen sowie die Eintragung einer Grundschuld bezogen. Er führte aus, die Vermögensprüfung habe ergeben, dass es sich bei dem Hausgrundstück “C.„ in E. um verwertbares Vermögen handele. Da der sofortige Verbrauch bzw. die sofortige Verwertung nicht möglich sei, jedenfalls aber eine besondere Härte bedeuten würde, erfolge die Leistungsbewilligung darlehensweise. Die Verwertbarkeit des Hauses ergebe sich daraus, dass dieses für einen Zweipersonenhaushalt unangemessen groß sei und die für diese Haushaltsgröße als angemessen anzusehende Wohnfläche von maximal 90 qm überschritten werde. Die Kläger legten dagegen Widerspruch ein und wandten sich gegen die Be...

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