Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahnersatz. Entstehen des Anspruchs auf Sozialleistungen. Besprechungsergebnisse über Kassenzuständigkeit bei Zahnersatz. Zuständigkeitsordnung. Disponibilität. Rechtsstaatsprinzip

 

Orientierungssatz

1. Ansprüche auf Sozialleistungen (hier Zahnersatz) entstehen im einzelnen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 40 Abs 1 SGB 1).

2. Der Zuschußanspruch entsteht nicht bereits mit Einreichung des Heil- und Kostenplans, sondern mit Inanspruchnahme und Abschluß der vertragszahnärztlichen Versorgung, das heißt mit Eingliederung des Zahnersatzes.

3. Das Übereinkommen über die Zuständigkeit für die Gewährung von Zahnersatz bei Kassenwechsel vom 1.9.1956 iVm den dazu ergangenen Besprechungsergebnissen der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 25.5.1979 berührt den Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber der Klägerin und damit deren Verpflichtung nicht. Die sich aus den Besonderen Teilen des Sozialgesetzbuches für die einzelnen Sozialleistungsbereiche ergebende Zuständigkeitsordnung ist nicht disponibel. Die Zuständigkeitsregelungen dienen nicht nur internen Verwaltungszwecken, sondern sind auch Ausdruck des in Art 20 Abs 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzipes, das die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht bindet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.11.2001; Aktenzeichen B 1 KR 31/99 R)

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Erstattung von 5.102,00 DM.

Herr G war als landwirtschaftlicher Unternehmer jahrelang Mitglied der Klägerin. Vom 01.12.1997 bis 31.03.1998 war er wegen Abgabe der Landwirtschaft und Bezugs eines Altersruhegelds von der LVA Mitglied der Beklagten. Wegen Altersrentenbezug von der LAK ist er seit 01.04.1998 wieder Mitglied der Klägerin.

Die Klägerin erfuhr vom Kassenwechsel zum 01.12.1997 am 19.03.1998. Davor war bei ihr ein Heil- und Kostenplan des Zahnarztes von Herrn G vom 02.02.1998 eingegangen. Am 24.03.1998 sicherte die Klägerin dem Antragsteller einen Festzuschuß von 2.551,00 DM zu und am 27.04.1998 gewährte sie für die Zeit vom 01.01.1998 bis 30.04.1999 Zuzahlungsbefreiung. Der Zahnersatz wurde am 27.04.1998 eingegliedert. Nach der Rechnungsstellung durch den Zahnarzt gegenüber dem Versicherten am 27.04.1998 zahlte die Klägerin dem Versicherten den Zuschuß in Höhe von 5.102,00 DM am 03.09.1998.

Davor, am 15.07.1998 hatte die Klägerin die Zahnarztrechnung der Beklagten zur weiteren Veranlassung geschickt, da diese nach dem Übereinkommen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen zur Abgrenzung der Leistungspflicht vom 01.09.1956 zur Auszahlung des Festzuschusses zuständig sei. Für die Gewährung von Zahnersatz sei die Krankenkasse zuständig, der der Versicherte am Tag der Antragstellung in Gestalt des Behandlungsplans angehöre. Zwar fühle sich der AOK-Bundesverband nicht mehr an das Besprechungsergebnis gebunden, so daß der Tag des Eintritts des Versicherungsfalls über die Zuständigkeit entscheide. Dies sei beim Zahnersatz die Behandlungsplanerstellung.

Demgegenüber verwies die Beklagte auf die Auffassung des AOK-Bundesverbandes, daß mit Einführung der Festzuschüsse für die Erbringung von Leistungen die Kasse zuständig sei, der der Versicherte am Tag der Leistungserbringung angehöre.

Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie zahle den Festzuschuß nur im Hinblick darauf, als erster Leistungsträger angegangen worden zu sein.

Am 09.12.1998 erhob die Klägerin Klage und stützte ihren Anspruch auf § 102 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), hilfsweise § 105 SGB X. Die Beklagte sei sowohl zum Zeitpunkt der Aufstellung des Heil- und Kostenplanes als auch zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns am 26.03.1998 zuständig gewesen. Nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung gelte als Versicherungsfall der Eintritt der Notwendigkeit, Zahnersatz zu erbringen, wenn angemessene Zeit danach mit der Mundvorbereitung begonnen werde.

Demgegenüber vertrat die Beklagte die Ansicht, seit 01.01.1989 gelte mit Inkrafttreten des § 19 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) der Grundsatz, daß mit Ende der Mitgliedschaft der Leistungsanspruch erlösche. Damit habe das Versicherungsprinzip absoluten Vorrang. Daraus folge, daß der Tag der Inanspruchnahme der Leistung zentrale Bedeutung habe. Dem Rundschreiben der Spitzenverbände sei mit Inkrafttreten des § 19 SGB V die Rechtsgrundlage entzogen. Nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses gebe es für die Beklagte keine Rechtsgrundlage, Leistungen zu erbringen.

Die Klägerin machte geltend, § 19 SGB V sei nicht einschlägig, da diese Norm nur für den Fall einer Versicherungslücke praktisch bedeutsam sei. Das Rundschreiben der Spitzenverbände habe nach wie vor Geltung, da es keinen über § 19 SGB V hinausgehenden Versicherungsschutz beinhalte, sondern nur die Zuständigkeit an den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung knüpfe.

In der mündlichen Verhandlung am 15.10.1999 beantragt der Klägerbevollmächtigte:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 5.102,00 DM zu erstatten.

2.

Die Sprungrevision wir...

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