Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Anrechnung einer Verletztenrente auf eine Altersrente. Ermittlung des Freibetrags für die Anrechnung bei Rentenempfängern im Beitrittsgebiet

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Zusammentreffen einer Verletztenrente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einem Arbeitsunfall und einer Altersrente ist der im Rahmen der Verrechnung der Verletztenrente mit der Altersrente anrechnungsfreie Betrag auch für Rentenempfänger im Beitrittsgebiet ausgehend von der ungekürzten Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz zu ermitteln (Aufgabe: Kammer, Urteil vom 26.11.2004, Az. S 12 RA 382/02).

2. Eine bloße Textveränderung in einer Gesetzesnorm, mit welcher der Gesetzgeber erkennbar die bestehende Rechtslage nicht verändert, führt nicht dazu, dass die Norm künftig anders angewandt werden muss. Vielmehr ist durch Auslegung der Regelungsgehalt vor der vorgenommenen Änderung zu ermitteln und weiter anzuwenden (hier: § 93 SGB 6).

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 19. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2004 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, die mit Rente der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer MdE von 20 v. H. zusammentreffende Altersrente ab 1. Januar 1999 ausgehend von dem Grenzbetrag beim Zusammentreffen dieser Renten zu gewähren, der sich bei Berücksichtigung des Freibetrages der Unfallrente in Höhe der Mindestgrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG in der jeweils gültigen Fassung ergibt.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der Altersrente der Klägerin.

Die 1934 geborene Klägerin, die ihr gesamtes Berufsleben im sog. Beitrittsgebiet zurückgelegt hat, hatte am 13. Juni 1984 einen Unfall erlitten, der seinerzeit von der Verwaltung der Sozialversicherung als sog. Arbeitswegeunfall mit dem Anspruch auf Teilrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente anerkannt worden war; von der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover wird diese Rente als Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v. H. weitergewährt.

Auf ihren Antrag vom 7. März 1994 erhält die Klägerin Altersrente entsprechend dem Rentenbescheid vom 5. August 1994; die Unfallrente belief sich seinerzeit auf 328,60 DM monatlich.

Die Rentenberechnung führte zu 46,3403 persönlichen Entgeltpunkten (Ost), daraus ergab sich rechnerisch ein anfänglicher monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 1598,28 DM brutto. Der Auszahlungsbetrag wurde wegen des gleichzeitigen Bezuges von Unfallrente auf 1502,18 DM brutto gekürzt. Der Rechengang, der dieser Kürzung zugrunde lag, wurde in der Anlage 7 zum Rentenbescheid dargestellt: Die Rentenbezüge wurden addiert, wobei statt des Zahlbetrages der Unfallrente 2/3 der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz angesetzt wurde, also ein Freibetrag in Höhe von 1/3 dieser Mindestgrundrente unberücksichtigt blieb; dabei wurde die Grundrente nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe des Betrages in Ansatz gebracht, der sich durch die Modifizierung von § 31 BVG in § 84a BVG - entsprechend den Maßgaben des Einigungsvertrags (Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II und III Nr. 1 Buchstabe a) in der Gesetzesfassung vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, S. 1067) ergab. Weil die Summe der so ermittelten Rentenbezüge den sog. Grenzbetrag überstieg, der sich ergab aus dem Produkt des Rentenartfaktors der gesetzliche Rentenversicherung und 70 % des der Unfallrente zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes, wurde die gesetzliche Rente auf diesen Betrag gekürzt.

Der Rentenbescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit den Beschlüssen vom 14. März 2000 (Az.: 1 BvR 284/96; 1 BvR 1659/96) entschieden hatte, dass die Absenkung der sog. Mindestgrundrente nach dem BVG für die Rentenbezieher im sog. Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1999 verfassungswidrig und deshalb § 84a BVG insoweit nichtig ist ( BGBl. I S 445) und das Bundessozialgericht mit Urteil vom 10. April 2003 (Az.: B 4 RA 32/02 R) entscheiden hatte, es fehle an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Verwendung des abgesenkten Betrages der Mindestgrundrente nach dem BVG bei der Ermittlung der Rentenbezüge beim Zusammentreffen von Unfallrente mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass der bei der Ermittlung des Freibetrages von der nicht gekürzten Mindestrente des BVG auszugehen sei, beantragte die Klägerin am 28. April 2003 die Überprüfung des Rentenbescheides.

Die Beklagte stellte die Entscheidung zurück, ohne die Klägerin davon zu benachrichtigen, obwohl auch der 13. Senat des BSG mit Urteil vom 20. November 2003 (Az.: B 13 RJ 5/03 R) im Ergebnis zu dem einem gleichen Votum wie der 4. Senat des BSG gekommen war.

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 22. März 2004, der am 26. März 2004 bei Gericht eingegangen ist, die diesem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende Untätigkeitsklage.

Die Beklagte begründete jetzt die unterbliebene Bearbeitung des Ü...

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