Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufige Betriebsfortführung. Vorläufige Zahlung von Insolvenzgeld. Ablehnung. Eintritt eines Insolvenzereignisses. Entstehen des Anspruchs auf Insolvenzgeld. Zukünftiger Anspruch. Vorfinanzierung

 

Leitsatz (redaktionell)

  • Beantragt der vorläufige Insolvenzverwalter nach § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III vorläufige Zahlung von Insolvenzgeld für rückständgie Ansprüche auf Arbeitsentgelt, weil er das Unternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortführen möchte, ist es rechtmäßig, wenn ihm der Anspruch verwehrt wird, da keine vorläufige Entscheidung ergehen kann, wenn die Gesamtheit des Anspruchs noch nicht fällig ist.
  • § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III setzt voraus, dass der Anspruch entstanden ist, er dient nicht dazu, einen Anspruch, der voraussichtlich in Zukunft entstehen und fällig sein wird, vorzufinanzieren, Insolvenzgeld kann nicht vor Eintritt des Insolvenzereignisses begehrt werden.
 

Normenkette

SGB III § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3, § 188 Abs. 4, § 183 Abs. 1; SGB I § 40 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Ablehnung einer vorläufigen Zahlung von Insolvenzgeld an den Kläger als, vorläufigen Insolvenzverwalter rechtmäßig war.

Der Kläger war durch das Amtsgericht Aachen, am 23.03.1999 zum vorläufigen Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Firma … bestimmt worden. Im Rahmen des Versuchs, das Unternehmen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO fortzuführen, beantragte der Kläger im Namen und mit Vollmacht von 50 Arbeitnehmern der Firma … am 07.04.1999 bei der Beklagten im Wege der vorläufigen Entscheidung gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III die vorläufige Zahlung von Insolvenzgeld für rückständige Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die Monate Februar und März 1999. Als Insolvenzstichtag sei der 01.05.1999 vorgesehen.

Mit Bescheid vom 16.04.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung trug sie vor, die vorläufige Entscheidung nach § 328 SGB III sei daran gebunden, dass der Insolvenzgeld-Anspruch in seiner Gesamtheit fällig sei. Die Gesamtheit der Insolvenzgeld-Ansprüche umfasse die Zeit vom 01.02.1999 bis zum 30.04.1999. Da die Gesamtheit des Anspruches noch nicht fällig sei, scheide eine vorläufige Entscheidung aus.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 21.04.1999 Widerspruch ein. Soweit – wie im vorliegenden Fall – zwischen Verwalter und dem Insolvenzgericht bereits der voraussichtliche Eröffnungsstichtag festgelegt wurde und der Verwalter die bevorstehende Eröffnung glaubhaft gemacht habe, könne auch eine vorläufige Entscheidung ergehen. Die Tatsache, dass nur über die Gesamtheit des Anspruchs eine vorläufige Entscheidung ergehen könne sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine vorläufige Bewilligung von Insolvenzgeld komme zudem dem Sanierungszweck der Tätigkeit des Insolvenzverwalters entgegen. Die gesetzlich vorgesehene Insolvenzgeld-Vorfinanzierung sei kein ausreichender Ersatz für die Gewährung des vorläufigen Insolvenzgeldes gemäß § 328 SGB III, da bei einer Vorfinanzierung durch Dritte eine gutachterliche Expertise über die Fortführungschancen des insolventen Unternehmens ausgearbeitet und vorgelegt werden müsse. Durch eine vorläufige Bewilligung würden die Sozialkassen nicht über Gebühr beansprucht, da ohnehin einige Wochen später reguläres Insolvenzgeld ausgezahlt werden müsse.

Mit Bescheid vom 29.04.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte führte ergänzend aus, eine Entscheidung nach § 328 SGB III mache die im Gesetz vorgesehene und zugelassene Vorfinanzierung überflüssig.

Am 30.04.1999 eröffnete das Amtsgericht Aachen das Insolvenzverfahren über das Vermögen, der Firma ….

Gegen die Ablehung der vorläufigen Zahlung richtet Sich die am 14. Mai 1999 erhobene Klage. Aufgrund der mittlerweile erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt der Kläger nunmehr schriftsätzlich,

festzustellen, dass die Ablehnung des Antrages des Klägers als Bevollmächtigter der Arbeitnehmer der Firma … auf Gewährung vorläufigen Insolvenzgeldes gemäß § 328 SGB III für die Monate Februar und März 1999 durch Bescheid vom 16.04.1999 und Widerspruchsbescheides vom 29.04.1999 rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten wiederholen und vertiefen ihre genannten Rechtsauffassungen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Allerdings klagt er fremde Ansprüche im eigenen Namen ein. Gemäß § 183 SGB III steht der Anspruch auf Insolvenzgeld Arbeitnehmern zu. Gleiches gilt für vorläufige Leistungen im Sinne des § 328 SGB III. Die Prozessführungsbefugnis ergibt sich auch nicht aus seiner durch § 2...

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