Normenkette

Art. 5 Abs.1 GG; § 823 Abs.2 BGB, § 1004 Abs.1 Satz 2 BGB

 

Kommentar

1. In drei Schreiben an den Verwalter (eine GmbH) beanstandete ein Eigentümer dessen Tätigkeit, u.a. mit folgenden Formulierungen:

a) Die Verwalterin oder ihre Mitarbeiter betrieben Günstlingswirt- schaft à la Neue Heimat,

b) die Antragstellerin oder ihre Mitarbeiter leisteten im Gegen- satz zum Hausmeister keine ehrliche Arbeit,

c) die Antragstellerin oder ihre Mitarbeiter lögen,

d) die Antragstellerin betreibe Mistwirtschaft.

Die Verwaltung sah in diesen Schreiben ehrenrührige Behauptungen und beantragte gegen den Eigentümer (Antragsgegner), die vorgenannten Behauptungen zu untersagen.

AG und LG gaben dem Antrag statt, der Senat entschied auf Abweisung des Unterlassungsantrags.

2. Der nach seinem Wortlaut auf Eigentumsbeeinträchtigungen ab-stellende Unterlassungsanspruch des § 1004 Abs.1 Satz 2 BGB gilt in entsprechender Anwendung auch für sonstige deliktisch geschützte Rechtsgüter im Sinne des § 823 Abs.2 BGB; darunter fällt auch das durch Art.1 und 2 GG geschützte Persönlichkeitsrecht; dieses gewährt auch einer juristischen Person, allerdings in einem durch deren Wesen und Aufgabenbereich beschränkten Umfang, Schutz (Palandt/Bassenge, BGB, 60.Auflage, § 1004 Rn 2 und § 823 Rn 175, 181).

Bei Beurteilung der Widerrechtlichkeit einer das Persönlichkeitsrecht verletzenden Handlung ist, soweit diese in einer Tatsachenbehauptung, einem Werturteil oder einer Meinungsäußerung besteht, das ebenfalls grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung ( Art. 5 Abs.1 GG) zu berücksichtigen, dem allerdings Schranken gesetzt sind ( Art. 5 Abs.2 GG). Bei Werturteilen und Meinungsäußerungen hat der Schutz des Persönlichkeitsrechts Vorrang, wenn sich die Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde, als Schmähkritik oder Formalbeleidigungen darstellen. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Beurteilung vom Wahrheitsgehalt ab. Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht, fallen nicht unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs.1 GG (Bundesverfassungsgericht, NJW 1999, 1322/1324).

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Äußerungen, die von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt sind, kann nicht nur einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, vielmehr auch Schadenersatzansprüche des Geschädigten auslösen (BayObLG Z 1999, 280).

3. Nach diesen Grundsätzen rechtfertigten die Äußerungen des Antragsgegners (Eigentümers) in seinen Schreiben an die Antragstellerin (Verwaltung) bei Abwägung des Persönlichkeitsschutzes der Verwaltung und ihrer Mitarbeiter einerseits und des Rechts des Antragsgegners auf Meinungsfreiheit andererseits den Unterlassungsanspruch nicht.

Die Vorinstanzen haben nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich im Verhältnis des Verwalters von Wohnungseigentum zu den Eigentümern aufgrund der gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Situation Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten ergeben können. Nicht selten sind - wie auch hier - einzelne Wohnungseigentümer zu Recht oder auch nicht der Meinung, der Verwalter komme seinen ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtungen aufgrund des WEG (vgl. § 27 WEG) und des Verwaltervertrages als eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages ( § 675 BGB) nicht in dem geschuldeten Umfange nach. Der Verwalter hat daher Kritik an seiner Tätigkeit auch insoweit hinzunehmen, als sie nach seiner Meinung und auch objektiv unrichtig ist. Grenzen sind bei kritischen Meinungsäußerungen eines Wohnungseigentümers in Bezug auf die Tätigkeit des Verwalters dort gezogen, wo diese sachlich nicht mehr gerechtfertigt sind und auch nicht mehr eine sachliche Auseinandersetzung im Vordergrund steht, sondern die Äußerungen sich als Schmähkritik oder als Formalbeleidi-gung darstellen (Bundesverfassungsgericht aaO).

Die Äußerungen des Eigentümers in seinen Schreiben bewegen sich an der Grenze zu einer durch die Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckten Kritik, ohne diese bereits zu überschreiten. Erkennbar steht bei ihnen die Sachauseinandersetzung noch im Vordergrund. Soweit es um Tatsachenbehauptungen geht, handelt es sich jedenfalls nicht um erkennbar bewusst unwahre und unzweifelhaft als solche feststehende Behauptungen.

Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass die Äußerungen des Eigentümers gegenüber der Verwaltung gemacht wurden und Dritten nicht zur Kenntnis gelangt sind. Nicht unberücksichtigt kann auch bleiben, dass es sich bei der Antragstellerin um eine juristische Person handelt, auch wenn nicht verkannt wird, dass sich die Kritik in erster Linie gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin und einen bestimmten Mitarbeiter der Antragstellerin richtet.

4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in allen Rechtszügen bei Geschäftswert III. Instanz von DM 8.000,--

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 02.03.2001, 2Z BR 16/01)

Zu Gruppe 4

Anmerkung

Diese Entscheidung überrascht mich im wertenden Ergebnis. Wenn hier eigentümer...

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