3.4.5.1 Außenwohnbereich

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass auch der Außenwohnbereich gegenüber Lärmeinwirkungen während der Tageszeit schutzwürdig ist, wenn er typischerweise tagsüber dem Aufenthalt und der Erholung dient. Zum Außenwohnbereich in diesem Sinne zählen die außerhalb von Wohngebäuden vorhandenen Flächen, sofern sie nicht nur der Verschönerung des Grundstücks dienen, sondern in Ergänzung der Gebäudenutzung für ein Wohnen im Freien bestimmt und geeignet sind. Zu diesen Flächen zählt die Rechtsprechung Gärten, Terrassen, Balkone und in ähnlicher Weise nutzbare Außenanlagen. Für die durch Fluglärm eingeschränkte Nutzung dieser Flächen hat nach Auffassung des BVerwG der Flugplatzunternehmer entsprechend § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bei Dauerschallpegeln ab 62 dB(A) eine Entschädigung zu leisten.[1] Der VGH Kassel lässt es in diesem Zusammenhang offen, ob nicht vorrangig die Regelung in § 9 Abs. 5 FluglG zur Anwendung kommen sollte, die eine Entschädigung erst bei Lärmeinwirkungen mit einem Dauerschallpegel ab 65 dB(A) vorsieht.[2]

3.4.5.2 Nicht realisierbare bauliche Schallschutzmaßnahmen

Sind an einem Wohngebäude bauliche Schallschutzmaßnahmen "untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar", wie das Gesetz es formuliert, tritt nach der Rechtsprechung als Surrogat an die Stelle der nicht realisierbaren technischen Schallschutzmaßnahmen ebenso, wie beim Außenwohnbereich, ein Entschädigungsanspruch des betroffenen Grundstückseigentümers gegen den Flugplatzunternehmer nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG.[1]

Problemfall Dachgeschoss

Das Problem der Untunlichkeit stellt sich vor allem für im Dachgeschoss gelegene Wohn- und Schlafräume, wenn aus statischen Gründen eine Lärmdämmung des Dachgiebels nicht möglich ist. Ein völliger Neuaufbau des Dachgeschosses kann nicht gefordert werden. Unverhältnismäßige und mit dem Vorhaben unvereinbare Aufwendungen liegen vor, wenn die Kosten technischer Schallschutzmaßnahmen außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen. Das könnte etwa dann der Fall sein, wenn die Kosten hierfür doppelt so hoch wären, wie die Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern.

3.4.5.3 Übernahmeanspruch

Auch den Anspruch eines Flugplatznachbarn gegen den Flugplatzunternehmer, ein von Fluglärm unzumutbar betroffenes Wohngrundstück gegen Zahlung einer Entschädigung zu übernehmen, ordnet die Rechtsprechung der Entschädigungsregelung in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zu, obwohl in ihr von einem Übernahmeanspruch nicht die Rede ist.[1] Einen derartigen Übernahmeanspruch bejaht die Rechtsprechung, wenn die Lärmbeeinträchtigungen so schwerwiegend sind, dass eine weitere Wohnnutzung als unzumutbar erscheint. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn ein Wohngrundstück so massiv verlärmt wird, dass es seine Wohnqualität verliert und unbewohnbar wird. Das Gleiche gilt, wenn der Lärm von so hoher Einwirkungsintensität ist, dass er den Grad einer Gesundheitsgefährdung erreicht. Diese Schwelle wird nach Auffassung des BVerwG bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) am Tag überschritten.[2] Für die Nachtzeit hat das BVerwG einen von der Planfeststellungsbehörde ihrer Entscheidung als Zumutbarkeitsgrenze zugrunde gelegten äquivalenten Dauerschallpegel von 58,7 dB(A) nicht beanstandet.[3]

3.4.5.4 Verbleibender Wertverlust

Für den möglichen Wertverlust eines Wohngrundstücks, der trotz baulicher Schallschutzmaßnahmen und einer Entschädigung für die Verlärmung des Außenwohnbereichs verbleibt, kann nach der Rechtsprechung keine Entschädigung verlangt werden, weil ein derartiger Wertverlust von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG fällt. Ein solcher Wertverlust ist vielmehr nach der Rechtsprechung bis zur enteignungsrechtlichen Schwelle (Art. 14 GG) entschädigungslos hinzunehmen.[1]

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