Leitsatz

Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen fallen unter den Begriff "ärztliche Heilbehandlungen", wenn die Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Von Bedeutung für die Steuerbefreiung ist, dass die Leistungen von einer Person erbracht werden, die zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen ist oder dass der Zweck des Eingriffs von einer solchen Person bestimmt wird.

 

Sachverhalt

Die vom schwedischen Ausgangsverfahren betroffene PFC ist auf dem Gebiet der ästhetisch-plastischen Chirurgie tätig, u.a. Brustvergrößerung/verkleinerung, Fettabsaugung, Gesichtsstraffung, Operationen an Augen, Ohren und Nase, dauerhafte Haarentfernung, Hautverjüngung, Behandlung von Zellulitis, Botox- und Restylane-Injektionen. Das schwedische Finanzamt lehnte den von PFC geltend gemachten Vorsteuerabzug ab, da die Leistungen der PFC steuerfreie Heilbehandlungen seien.

Die Begriffe "ärztliche Heilbehandlung" in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der MwStSystRL und "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" in Art. 132 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten dienen. Nach Auffassung des EuGH müssen die "ärztlichen Heilbehandlungen" und die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" zwar einem therapeutischen Zweck dienen; hieraus folge aber nicht zwangsläufig, dass die therapeutische Zweckbestimmtheit einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu verstehen ist.

Somit können Leistungen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist, umsatzsteuerfrei sein; nicht steuerfrei sind aber Eingriffe zu rein kosmetischen Zwecken. Diese medizinische Frage muss von entsprechendem Fachpersonal getroffen werden. Die rein subjektive Vorstellung der behandelten Person ist insoweit nicht maßgeblich.

 

Hinweis

Das EuGH-Urteil dürfte an der deutschen Umsatzsteuerbehandlung von "Schönheitsoperationen" nichts ändern. Danach sind ästhetisch-plastische Leistungen nicht steuerfrei, soweit ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht. Indiz hierfür kann sein, dass die Kosten regelmäßig nicht durch Krankenversicherungen übernommen werden (vgl. Abschn. 4.14.1 Abs. 5 Nr. 8 UStAE).

Insoweit trifft nach Auffassung des BFH den Steuerpflichtigen die Feststellungslast und bei Zweifeln am Vorliegen der Indikation eine erhöhte Mitwirkungspflicht (BFH, Beschluss v. 18.2.2008, V B 35/06, BFH/NV 2008 S. 1001).

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 21.3.2013, C-91/12.

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