Rz. 65
Zur Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr bei zwischengeschaltetem Mahnverfahren vgl. Rdn 170 ff.
Eine Mehrfachanrechnung kommt insbesondere in Betracht, wenn zunächst durch ein selbstständiges Beweisverfahren eine Schadensposition ermittelt wird (z.B. Bausache) und anschließend die Forderung mittels Mahnverfahren geltend gemacht wird und es sodann aufgrund eines Widerspruchs zum streitigen Verfahren kommt. In einem solchen Fall ist dann die Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens gemäß VV Vorb. 3 Abs. 5 auf die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens anzurechnen, die dann wiederum ihrerseits auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anzurechnen ist. Es ist nicht lediglich der nach Anrechnung verbleibende Restbetrag dieser Gebühr anzurechnen, sondern der volle Gebührenbetrag vor Anrechnung.[57] Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens durch die Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbstständigen Beweisverfahrens bereits "erloschen" ist. Dem Gesetzesortlaut kann nicht entnommen werden, dass – im Falle einer zuvor erfolgten Anrechnung – nur die verbleibende Gebühr auf einen nachfolgenden Rechtsstreit anzurechnen ist.[58] Ansonsten entstünde das vom Gesetzgeber nicht gewollte Ergebnis, dass für den im Mahnverfahren und anschließend im Hauptsacheverfahren tätigen Rechtsanwalt mehr Gebühren festzusetzen wären als für die Tätigkeit des Anwalts, der direkt das Hauptsacheverfahren betreibt.
Rz. 66
Beispiel: Die Beklagte hat als Bauträgerin für die Kläger ein Einfamilienhaus errichtet. Wegen eines angeblichen Baumangels haben die Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet. Den von dem Sachverständigen ermittelten Schadensbetrag (50.000 EUR) haben die Kläger sodann gegen die Beklagte in einem Mahnverfahren und nach Widerspruch im Hauptsacheverfahren geltend gemacht.
Es kann folgendermaßen abgerechnet werden:
I. Selbstständiges Beweisverfahren (Wert: 50.000 EUR)
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 | 1.662,70 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 1.682,70 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 319,71 EUR | |
Gesamt | 2.002,41 EUR |
II. Mahnverfahren (Wert: 50.000 EUR)
1. | 1,0-Verfahrensgebühr, VV 3305 | 1.279,00 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
3. | gem. VV Vorb. 3 Abs. 5 anzurechnen 1,0 | – 1.279,00 EUR | |
Zwischensumme | 20,00 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 3,80 EUR | |
Gesamt | 23,80 EUR |
III. Gerichtliches Verfahren (Wert: 50.000 EUR)
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 | 1.662,70 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
3. | gem. Anm. zu VV 3305 anzurechnen 1,0 | – 1.279,00 EUR | |
Zwischensumme | 403,70 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 76,70 EUR | |
Gesamt | 480,40 EUR |
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen