Rz. 40

Auch hinsichtlich der Beratung über das Rechtsmittel eines anderen Beteiligten (Staatsanwaltschaft, Neben- oder Privatkläger) ist die gebührenrechtliche Behandlung umstritten.

 

Rz. 41

Ist das Rechtsmittel der Gegenseite noch nicht eingelegt, soll der Anwalt also nur vorbereitend beraten, so zählt diese Tätigkeit noch zur Ausgangsinstanz. Das Rechtsmittelverfahren beginnt für den in der Instanz beauftragten Verteidiger frühestens mit der Einlegung eines Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft, den Neben- oder Privatkläger.

 

Rz. 42

Wird das Rechtsmittel von einem anderen Beteiligten, also aus Sicht des Verteidigers von der Staatsanwaltschaft, dem Neben- oder Privatkläger eingelegt, aus Sicht des Privat- oder Nebenklägers vom Angeklagten oder zu dessen Gunsten von der Staatsanwaltschaft, so ist umstritten, ob die Beratung über die Aussichten des gegnerischen Rechtsmittels nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 durch die Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens abgegolten wird.

 

Rz. 43

Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, die Beratung über die Erfolgsaussichten des gegnerischen Rechtmittels würde für den Verteidiger noch zum vorausgehenden Rechtszug zählen.[14] Diese Auffassung ist aus zwei Gründen jedoch abzulehnen: Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 ist eine Ausnahmevorschrift und als solche daher eng auszulegen. Sie gilt ausdrücklich nur, wenn der Mandant Rechtsmittelführer ist, nicht aber auch, wenn er Rechtsmittelgegner ist.[15] Abgesehen davon kann eine Beratung über das gegnerische Rechtsmittel logischerweise erst erfolgen, nachdem es eingelegt worden ist. Die Einlegung des Rechtsmittels wiederum bildet aber die zeitliche Zäsur zwischen erstinstanzlichem Verfahren und Rechtsmittelverfahren, so dass die Beratung über eine bereits eingelegte Berufung immer zum Berufungsrechtszug gehört.

 

Rz. 44

Werden also von der Staatsanwaltschaft, dem Neben- oder Privatkläger Rechtsmittel eingelegt, so beginnt für den Verteidiger der Gebührenrechtszug der VV 4124 ff., VV 4130 ff. unabhängig davon, ob er bereits erstinstanzlich tätig war oder nicht, mit der ersten Tätigkeit nach Einlegung des Rechtsmittels. Voraussetzung ist allerdings, dass ihm für diese Instanz schon ein Mandat erteilt ist. So wird in aller Regel die bloße Entgegennahme des gegnerischen Rechtsmittels und die Benachrichtigung des Mandanten noch keine Gebühren auslösen, weil der Mandant bis dahin von dem Rechtsmittel noch keine Kenntnis hatte und daher insoweit grundsätzlich auch noch kein Mandat erteilt haben kann.[16] Anders verhält es sich allerdings, wenn der erstinstanzliche Verteidiger bereits den (bedingten) Auftrag erhalten hatte, im Falle eines gegnerischen Rechtsmittels tätig zu werden und er sich daraufhin bei Gericht bestellt. Auch hier darf die Streitfrage nicht überbewertet werden. Soweit die Beratung über die Aussichten des gegnerischen Rechtsmittels noch zum Ausgangsverfahren gezählt wird, muss auch hier die Mehrarbeit im Rahmen des § 14 Abs. 1 gebührenerhöhend berücksichtigt werden.

 

Rz. 45

Hatte der Anwalt noch keinen Verteidigungsauftrag im Rechtsmittelverfahren, sondern nur einen isolierten Beratungsauftrag, gilt wiederum VV 2102.

[14] LG Nürnberg-Fürth KostRsp. BRAGO § 87 Nr. 6. m. abl. Anm. Schmidt; LG Bayreuth NJW 1975, 1046; LG Mainz NJW 1972, 1681; LG Osnabrück JurBüro 1976, 66; LG Paderborn JurBüro 1986, 1045.
[15] LG Düsseldorf NJW 1972, 1681; AnwBl 1983, 461; LG Braunschweig JurBüro 1980, 104; LG Berlin AnwBl 1987, 53; Hansens, § 85 Rn 4.
[16] OLG Düsseldorf JurBüro 1976, 635.

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