I. Rechtsschutz für die Verteidigung

1. Rechtsschutz nach den ARB

a) Überblick

 

Rz. 132

Auch in Strafsachen besteht grundsätzlich Rechtsschutz nach den ARB. Für die Kosten der Verteidigung greift dieser allerdings nur, wenn dem Versicherungsnehmer ein Vergehen vorgeworfen wird; bei dem Vorwurf eines Verbrechens ist Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3 ARB 1975; § 2i ARB 1994/2000). Eine Prüfung der Erfolgsaussichten ist beim Verteidigungs-Strafrechtsschutz nicht vorzunehmen, so dass auch bei "aussichtslosen" Verteidigungen Deckungsschutz besteht, solange der Versicherungsnehmer nicht mutwillig handelt (§ 1 ARB 1975; die ARB 1994/2000 sprechen in § 1 nur noch davon, dass die Kosten erforderlich sein müssen).

 

Rz. 133

Bei Selbstvertretung steht dem Anwalt kein Versicherungsschutz zu. Die Rechtsprechung des BGH zur Selbstvertretung in Zivilsachen[68] ist auf Strafsachen nicht übertragbar, da hier eine Selbstvertretung prozessual ausgeschlossen ist.

[68] BGH 10.11.2010 – IV ZR 188/08, AGS 2011, 49 = RVGreport 2011, 80 = NJW 2011, 232.

b) Ausschluss bei Vorsatztaten

aa) Allgemeines

 

Rz. 134

Zu beachten ist, dass bei Vorsatztaten der Versicherungsschutz nur eingeschränkt besteht. Es ist danach zu differenzieren, ob dem Versicherungsnehmer ein "verkehrsrechtliches Vergehen" oder ein "sonstiges Vergehen" vorgeworfen wird.

bb) Verkehrsrechtliche Vergehen

 

Rz. 135

Bei verkehrsrechtlichen Vergehen besteht nach § 4 Abs. 3b ARB 1975 bzw. § 2i aa ARB 1994/2000 grundsätzlich Versicherungsschutz. Erst dann, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat, entfällt der Versicherungsschutz. Eventuell gezahlte Kosten hat der Versicherungsnehmer dann zurückzuzahlen. Aufgrund dieser versicherungsvertraglichen Konstruktion empfiehlt es sich für den Verteidiger, in solchen Sachen rechtzeitig dafür zu sorgen, dass seine Vergütung durch einen hinreichenden Vorschuss abgedeckt ist. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung schuldet der Versicherer die Freistellung von Vorschüssen. Nach rechtskräftiger Verurteilung können Zahlungen nicht mehr verlangt werden. Andererseits schuldet nicht der Verteidiger, sondern der Versicherungsnehmer die Rückzahlung bereits empfangener Vorschüsse.

cc) Sonstige Vergehen

 

Rz. 136

Wegen sonstiger Vergehen besteht immer dann Versicherungsschutz, wenn die Vergehen nur fahrlässig begehbar sind. Für Vergehen, die nur vorsätzlich begangen werden können, besteht niemals Versicherungsschutz. Soweit sowohl fahrlässige als auch vorsätzliche Begehung möglich ist (z.B. Trunkenheit, Körperverletzung), besteht so lange Versicherungsschutz, als ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Soweit dagegen vorsätzliche Begehung vorgeworfen wird, ist Versicherungsschutz ausgeschlossen (§ 4 Abs. 3a ARB 1975 bzw. § 2i bb ARB 1994/2000); der Versicherungsschutz entsteht aber rückwirkend, wenn es nicht zu einer Verurteilung wegen Vorsatz kommt, also z.B. auch bei einer Einstellung nach § 153a StPO.[69]

[69] LG Saarbrücken AGS 2003, 42 m. Anm. N. Schneider.

c) Ausschluss bei fehlender Fahrerlaubnis, Berechtigung, Zulassung oder fehlendem Versicherungskennzeichen

 

Rz. 137

In verkehrsrechtlichen Straftaten ist der Versicherungsschutz darüber hinaus ausgeschlossen, wenn

der Fahrer bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht die vorgeschriebene Fahrerlaubnis hatte
der Fahrer zum Führen des Fahrzeugs nicht berechtigt
das Fahrzeug nicht zugelassen oder
das Fahrzeug nicht mit einem Versicherungskennzeichen versehen

war; hier besteht Versicherungsschutz nur für solche Personen, die von der Nichtberechtigung zum Führen des Fahrzeugs oder von dem Fehlen der Zulassung oder des Versicherungskennzeichens ohne Verschulden keine Kenntnis hatten (z.B. §§ 21 Abs. 6, 22 Abs. 5, 26 Abs. 6 ARB 1975 bzw. §§ 21 Abs. 8, 2 Abs. 5, 28 Abs. 6 ARB 1994/2000). Im Gegensatz zum Vorsatzausschluss (vgl. Rdn 136) handelt es sich hier um eine Obliegenheitsverletzung. Das bedeutet, dass der Verstoß kausal für den Rechtsschutzfall sein muss.[70] Auch hier ist allerdings zu differenzieren:

 

Rz. 138

Soweit dem Versicherungsnehmer selbst die Obliegenheitsverletzung vorgeworfen wird, muss der Versicherer innerhalb eines Monats nach Kenntnis den Rechtsschutzversicherungsvertrag kündigen (§ 6 Abs. 1 S. 1 VVG). Andernfalls muss er Deckungsschutz übernehmen.[71]

 

Rz. 139

Hat eine mitversicherte Person, die nicht Repräsentant ist, gegen die genannten Obliegenheiten verstoßen, kann sich der Rechtsschutzversicherer jederzeit auf seine Leistungsfreiheit berufen. Da die Obliegenheitsverletzung durch eine mitversicherte Person nicht zur Kündigung berechtigt, gilt insoweit § 6 Abs. 1 S. 1 VVG nicht.[72]

[70] Harbauer, § 21 ARB 75 Rn 87.
[71] Harbauer, § 21 ARB 75 Rn 100.
[72] Harbauer, vor § 21 ARB 75 Rn 33.

2. Rechtsschutz nach den AHB

 

Rz. 140

Ausnahmsweise kann für die Verteidigung in einer Strafsache auch Versicherungsschutz durch den Haftpflichtversicherer gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB; § 150 Abs. 1 S. 3 VVG).[73] Für die Kosten einer Nebenklage hat ein Haftpflichtversicherer nicht einzustehen.[74]

[73] Zum Umfang des Versicherungsschutzes siehe Plote, Anwalt und Rechtsschutzversicherung, 2000, § 3 Rn 31 ff.
[74] Plote, Anwalt und Rechtsschutzversicherung, § 3 Rn 32.

II. Rechtsschutz für die Durchsetzung und Abwehr von Schadensersatzansprüchen im Adhäsionsverfahren

1. Durchsetzung von eigenen Ansprüchen

 

Rz. 141

Will der Geschädigte seine Ersatzansprüche im Adhäsions...

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