Rz. 95

Die durch Anfertigung eines zweiten Aktenauszugs/Aktendoppels für den Mandanten anfallende Dokumentenpauschale soll im Regelfall nicht erstattungsfähig sein.[158] Demgegenüber hält die Gegenmeinung die Kosten des zweiten Aktenauszugs dann für erstattungsfähig, wenn ein schwieriges Strafverfahren mit schwieriger Beweislage vorliegt, in dem der Verteidiger auf dauernden Besitz eines Aktenauszugs angewiesen war.[159] Auch bei gravierenden Straftaten wird teilweise die Fertigung des Aktendoppels zugestanden, weil dem Angeklagten die eigene Information über den Anklagevorwurf ermöglicht werden muss.[160] Das LG Bad Kreuznach[161] hält nur die durch die doppelte Ablichtung von Telefonüberwachungsprotokollen angefallene Dokumentenpauschale im Regelfall für erstattungsfähig.

 

Rz. 96

Das Aktendoppel für den Beschuldigten bietet jedenfalls den Vorteil, dass die Einbeziehung des Beschuldigten in den vollständigen Akteninhalt zur Verfahrensbeschleunigung und zur Erleichterung der Kommunikation beitragen kann.[162] Das KG[163] hält dem bei einem 5.194 Seiten umfassenden Aktendoppel allerdings entgegen, dass es bei umfangreichen Ermittlungen Aufgabe des Verteidigers bzw. Anwalts ist, die wesentlichen Punkte für den Beschuldigten herauszuarbeiten und die für den Angeklagten wesentlichen Aktenbestandteile zusammenzustellen bzw. dem Angeklagten die Bedeutung des Akteninhalts für den Verfahrensfortgang erforderlichenfalls anhand einzelner Schriftstücke zu belegen, wobei i.d.R. dazu ein Rückgriff auf den Aktenauszug des Verteidigers ausreichen wird.[164] Bei Telefonüberwachungsprotokollen kann das allerdings schwierig sein.[165] Letztlich wird es daher auch hier auf den Einzelfall ankommen.[166] Zu berücksichtigen kann hierbei auch sein, inwieweit die Überlassung eines vollständigen Aktenauszugs für den Mandanten überhaupt hilfreich sein kann. Denn häufig wird dieser aus persönlichen oder sachlichen Gründen ohnehin auf die Information des Anwalts angewiesen sein.

 

Rz. 97

Kosten für ein Aktendoppel für den Mandanten werden daher grds. nur entstehen und erstattungsfähig sein, wenn es erforderlich war, dass dieser die Unterlagen ständig zur Hand hat[167] oder wenn der Mandant auf den genauen Wortlaut der Schriftstücke angewiesen ist[168] oder dieser Kopien aus der Akte benötigt, um die Verteidigung einzurichten.[169] Das kann der Fall sein, wenn der Mandant durch Aushändigung von Kopien in die Lage versetzt wird, den Verteidiger auf Umstände hinzuweisen, deren Erheblichkeit dem Verteidiger entgangen ist oder deren Erheblichkeit sich dem Verteidiger mangels eigener Wahrnehmung von tatsächlichen Geschehensabläufen nicht erschlossen hat oder erschließen konnte.[170] Kosten, die entstanden sind, weil aus Vereinfachungsgründen ein Aktendoppel erstellt wurde, sind nicht erstattungsfähig.[171]

[158] OLG Frankfurt 3.4.2018 – 2 Ws 1/18, AGS 2018, 267; KG RVGreport 2006, 109; OLG Düsseldorf AGS 2002, 91 = StV 2003, 176; OLG Frankfurt NStZ 2002, 164; LG Bad Kreuznach RVGreport 2011, 25 = RVGprof. 2010, 171; OLG Koblenz 16.11.2009 – 2 Ws 526/09; so im Ergebnis auch OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 63, für die Kosten eines Aktenauszugs, den der Angeklagte von dem Verteidiger eines Mitangeklagten erhalten hat.
[159] OLG Saarbrücken StV 1998, 91.
[160] LG Landshut AGS 2004, 211.
[161] LG Bad Kreuznach RVGreport 2011, 25 = RVGprof. 2010, 171.
[162] Vgl. LG Kleve AGS 2015, 598 = RVGreport 2016, 98.
[163] KG 28.8.2015 – 1 Ws 59/15; KG RVGreport 2006, 109.
[165] LG Bad Kreuznach RVGreport 2011, 25 = RVGprof. 2010, 171.
[166] KG RVGreport 2006, 109.
[167] KG 28.8.2015 – 1 Ws 59/15; KG RVGreport 2009, 231 = JurBüro 2009, 316; OLG Köln AGS 2008, 179 = NJW 2008, 1330.
[169] LG Aachen AGS 2014, 429 = RVGreport 2014, 344.
[170] LG Aachen AGS 2014, 429 = RVGreport 2014, 344.

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