1. Die gesetzliche Regelung

 

Rz. 2

Die Zusätzliche Gebühr gemäß VV 4141 entsteht nach dem Wortlaut des Gesetzes, wenn:

das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1),
das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 2),
der Einspruch gegen einen Strafbefehl rechtzeitig zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 1. Var.),
die Berufung des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 2. Var.),
die Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 3. Var.),
die Privatklage zurückgenommen wird (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2),
der Anwalt an einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO mitwirkt (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 4).

Im Falle der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 muss die eigene Rücknahme allerdings mehr als zwei Wochen vor dem Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, erklärt worden sein (Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 2. Hs.).

 

Rz. 3

Ebenso anzuwenden ist VV 4141 selbstverständlich auch in einem Verfahren nach Zurückverweisung (§ 21 Abs. 1) und in einem wiederaufgenommenen Verfahren.

 

Rz. 4

Im Wiederaufnahmeverfahren selbst wäre VV 4141 zwar anwendbar, scheidet dort jedoch tatbestandlich aus.

 

Rz. 5

Darüber hinaus kommt eine analoge Anwendung in folgenden Fällen in Betracht:

bei Übergang in das Strafbefehlsverfahren nach Anklageerhebung (§ 408a StPO),
Freispruch im wiederaufgenommenen Verfahren nach § 371 Abs. 2 StPO,
Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls (str., siehe Rdn 76).

2. Mitwirkung des Anwalts; Darlegungs- und Beweislast

 

Rz. 6

Nach Anm. Abs. 2 ist die Zusätzliche Gebühr ausgeschlossen, wenn eine "auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit [des Anwalts] nicht ersichtlich" ist. Erforderlich ist also, dass der Verteidiger an der Einstellung oder der Erledigung des Verfahrens mitgewirkt hat. Es genügt jede Tätigkeit des Verteidigers, die zur Förderung der Verfahrenserledigung geeignet ist.[1] Eine Ursächlichkeit ist nicht erforderlich.[2] Der Umstand, dass das Verfahren auch ohne Zutun des Verteidigers möglicherweise ohnehin eingestellt worden wäre, ist grundsätzlich unerheblich.[3]

 

Rz. 7

Das Gesetz formuliert dies in Anm. Abs. 2 negativ, wonach die Gebühr nicht entsteht, wenn eine Tätigkeit des Rechtsanwalts zur Förderung des Verfahrens "nicht ersichtlich" ist. Damit kehrt sich die Darlegungs- und Beweislast um. Im Falle der Erledigung wird ein fördernder Beitrag des Rechtsanwalts vermutet. Sein ausnahmsweises Fehlen ist vom Gebührenschuldner – im Falle der Kostenerstattung von der Staatskasse – darzulegen und zu beweisen.[4] Alleine daraus, dass eine Förderung nicht aktenkundig ist, darf nicht auf deren Fehlen geschlossen werden. Beispielhaft hierzu ist die Entscheidung des AG Braunschweig.[5]

 

Beispiel: Nach Einspruch gegen einen Strafbefehl rät der Verteidiger dem Mandanten davon ab, den Einspruch weiter zu verfolgen, und empfiehlt ihm, diesen zurückzunehmen.

 

Rz. 8

Die Beratung des Mandanten und die Empfehlung, den Einspruch zurückzunehmen, reichen für eine Mitwirkung aus. Welche Tätigkeiten soll der Verteidiger gegenüber dem Gericht noch vornehmen? Einlassungen und Stellungnahmen gegenüber dem Gericht sind vollkommen überflüssig. Die Tätigkeit des Verteidigers findet in einem solchen Fall "denknotwendigerweise nicht in der Akte, sondern im Büro des Verteidigers statt".[6] Leider ist vielfach zu beobachten, dass die Gerichte die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast verkennen. Beispielhaft hierzu die Entscheidung des AG Berlin-Tiergarten.[7]

[1] Zur vergleichbaren Lage in Bußgeldsachen: LG Stralsund AGS 2005, 442 = RVGreport 2005, 272 = RVG-B 2005, 102.
[2] OLG Düsseldorf JurBüro 1999, 313; AGS 2003, 112 = JurBüro 2003, 41.
[3] AG Leipzig 11.10.2017 – 200 Ds 805 Js 50086/15 (2), AGS 2018, 217 = RVGreport 2018, 22; AG Köln AGS 2013, 229. Zur vergleichbaren Lage in Bußgeldsachen: AG Kempten AGS 2003, 312 m. Anm. N. Schneider; unzutr. BGH 20.1.2011 – IX ZR 123/10 (zum vergleichbaren Fall der VV 5115), AGS 2011, 128 = RVGreport 2011, 182 = NJW 2011, 1605.
[4] AG Unna JurBüro 1998, 410.
[5] AGS 2000, 54.
[6] AG Braunschweig AGS 2000, 54.
[7] AGS 2000, 53 m. Anm. Herrmann.

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