Rz. 20

Wird das Bußgeldverfahren wegen einer anderen Tat im prozessualen Sinne eingeleitet, ändert sich an der Berechnung im Strafverfahren nichts. Jetzt entsteht aber im Bußgeldverfahren eine Grundgebühr (VV 5100).

 

Beispiel: Gegen den Mandanten wird ermittelt wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht. Im Rahmen einer Besichtigung seines Fahrzeugs stellt sich heraus, dass dort eine nicht zugelassene Anhängerkupplung angebracht ist. Das Strafverfahren wegen des Verdachts der Verkehrsunfallflucht wird später eingestellt und die Sache an die Verwaltungsbehörde abgegeben, damit diese wegen des Verstoßes gegen die StVZO ein Ermittlungsverfahren einleite, was auch geschieht.

Jetzt entsteht im Strafverfahren wiederum die Zusätzliche Gebühr nach VV 4141. Im Bußgeldverfahren kommt jetzt die Grundgebühr nach VV 5100 hinzu. Sie ist nicht ausgeschlossen, da dem Bußgeldverfahren jetzt eine andere Tat zugrunde liegt (Anm. Abs. 2 zu VV 5100).

Abzurechnen ist wie folgt:

I. Strafverfahren

 
1. Grundgebühr, VV 4100   220,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4104   181,50 EUR
3. Verfahrensgebühr, VV 4141, 4106[18]   181,50 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 603,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   114,57 EUR
Gesamt   717,57 EUR

II. Bußgeldverfahren

 
1. Grundgebühr, VV 5100   110,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 5103   176,00 EUR
... und weitere Gebühren des Bußgeldverfahrens    
 

Rz. 21

Kommt es im anschließenden Bußgeldverfahren ebenfalls zu einer Einstellung, dann kann eine (weitere) Zusätzliche Gebühr – jetzt nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu VV 5115 – entstehen. Dies ergibt sich aus § 17 Nr. 10, weil es sich bei dem Bußgeldverfahren um eine neue eigene Gebührenangelegenheit handelt und der Anwalt in jeder Angelegenheit seine Gebühren gesondert erhält (arg. e § 15 Abs. 2).[19]

 

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt. Es stellt sich heraus, dass der Promillegehalt geringer ist als ursprünglich angenommen. Sie stellt daher das Strafverfahren ein und gibt die Sache an das Straßenverkehrsamt ab, damit dieses ein Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verstoßes gegen § 24a StVG einleite.

Strafverfahren und Bußgeldverfahren sind zwei verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 10). Mit der Einstellung und Abgabe an das Straßenverkehrsamt war das strafrechtliche Ermittlungsverfahren beendet. Der Verteidiger erhält daher bei entsprechender Mitwirkung die Zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1. Dass in der Sache weiterermittelt wird, ist unerheblich, da es sich insoweit um eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit handelt.[20]

 

Rz. 22

Der Begriff der "nicht nur vorläufigen" Einstellung i.S.d. Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 darf nicht mit dem prozessualen Begriff der vorläufigen oder endgültigen Einstellung verwechselt werden. Einstellungen, die prozessual als vorläufig gedacht sind, können gebührenrechtlich durchaus als nicht nur vorläufig anzusehen sein, wenn die Staatsanwaltschaft und das Gericht bei der Einstellung davon ausgingen, dass das Verfahren nicht wieder aufgenommen werde.

 

Beispiel: Das AG stellt das Strafverfahren nach § 154 Abs. 1 StPO ein.

Sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, erhält der Verteidiger nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 die Zusätzliche Gebühr.

Anderer Auffassung ist das AG Koblenz,[21] das unter Berufung auf den Wortlaut des § 154 Abs. 1 StPO eine Gebührenerhöhung (noch nach § 84 Abs. 2 BRAGO) abgelehnt hat. Das AG Koblenz hat dabei jedoch verkannt, dass der prozessuale und der gebührenrechtliche Begriff der nicht nur vorläufigen Einstellung verschieden sind. Dies ergibt sich eindeutig aus der amtlichen Begründung zu § 84 Abs. 2 BRAGO,[22] in der ausdrücklich die Vorschrift des § 154 Abs. 1 StPO als ein Fall der nicht nur vorläufigen Einstellung nach dem damaligen § 84 Abs. 2 BRAGO bezeichnet wurde. So wird von der übrigen Rechtsprechung auch eine Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO als gebührenerhöhend i.S.d. § 84 Abs. 2 BRAGO angesehen.[23]

 

Rz. 23

Auch eine Einstellung nach § 206a StPO bei Tod des Beschuldigen oder des Angeklagten kann ausreichen, wenn der Verteidiger dem Gericht mitteilt, dass der Beschuldigte oder Angeklagte verstorben ist und dadurch die Durchführung der Hauptverhandlung vermieden wird.[24] Hat der Strafrichter nach Bekanntwerden des Ablebens des Angeklagten den anstehenden Hauptverhandlungstermin bereits von Amts wegen aufgehoben, so löst ein durch den Verteidiger danach gestellter Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 206a StPO die Gebühr der VV 4141 mangels Mitwirkung allerdings nicht mehr aus.[25]

 

Rz. 24

Ebenso verhält es sich bei einer Einstellung nach § 206b StPO, wenn der Verteidiger auf eine zwischenzeitlich eingetretene Gesetzesänderung hinweist.

 

Rz. 25

Eine vorläufige Einstellung reicht dagegen niemals aus, selbst wenn sie sich später faktisch als endgültig erweisen sollte, etwa weil das Verfahren nie wieder aufgenommen worden ist.

 

Beispiel: Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen Zahlung einer G...

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