Rz. 463

Soweit es für den Schuldner als unzumutbar angesehen wird, bei einem nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteil vor dem Nachweis der Sicherheitsleistung zu zahlen,[468] wird nicht hinreichend beachtet, dass die Frage der Zumutbarkeit der Zahlung nicht mit der Frage des Erwachsens und der Erstattungsfähigkeit der Vollstreckungsgebühr identisch ist.

 

Beispiel: Der Beklagte ist verurteilt worden, an den Kläger 25.000 EUR zu zahlen; das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 30.000 EUR vorläufig vollstreckbar, wobei die Sicherheitsleistung auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann. Der Anwalt des Klägers fordert den Schuldner drei Wochen nach der amtswegigen Zustellung des Urteils zur Zahlung auf und droht für den Fall der Nichtzahlung Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an. Eine Sicherheit ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht geleistet.

Der Anwalt hat mit dieser Zahlungsaufforderung und Vollstreckungsandrohung die Vollstreckungsgebühr verdient. Wollte man es anders sehen, müsste der Kläger zunächst mit entsprechendem Kostenaufwand die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllen, also auch die Sicherheit leisten und den entsprechenden Nachweis gegenüber dem Schuldner führen. Dadurch entstehen Kosten, deren Vermeidung gerade auch im Interesse des Schuldners liegt. Eine bloße Zahlungsaufforderung ist daher nicht nur für den Kläger bequemer, sondern auch für den Beklagten schonender.[469] Auch vom Ergebnis her gesehen spricht alles für die vorliegende Auffassung. Wird das Urteil rechtskräftig und entspricht es – wie im Normalfall – der materiellen Rechtslage, so steht damit fest, dass der Beklagte schon seit Langem zur Leistung verpflichtet war und sich ihr zu Unrecht entzogen hat. Bei einem solchen Schuldner die Zahlungsaufforderung als unnötig, weil verfrüht anzusehen, wird man kaum bejahen können. Wenn der Schuldner mit der Verweigerung seiner Leistung pokert, muss er auch das damit verbundene Risiko weiterer Kosten tragen, wenn sich seine Auffassung letztlich als falsch erweist. Wird hingegen das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, kann der Beklagte die beigetriebenen Kosten der Zwangsvollstreckung über den Schadensersatz gemäß § 717 Abs. 2 ZPO zurückerhalten. Im Übrigen könnte der Kläger auch eine Vorpfändung ausbringen lassen. Dafür wäre die Leistung der Sicherheit nicht notwendig. Sind aber die Kosten für einen derartigen Vollstreckungsauftrag als notwendig anzuerkennen, so müssen es auch die für die schonendere Zahlungsaufforderung mit Androhung der Zwangsvollstreckung sein.[470]

[468] OLG Schleswig JurBüro 1995, 33; OLG Koblenz JurBüro 1985, 1657; LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 491; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3309 Rn 439.
[469] KG JurBüro 1983, 242.
[470] Vgl. zu diesem Argument auch BGH 18.7.2003 – IXa ZB 146/03, AGS 2003, 561; Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, VV 3309 Rn 11; Bischof/Bräuer, RVG, VV 3309 Rn 18.

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