1. Berufungsführer

 

Rz. 43

Die Erstattung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 auf Seiten des Berufungsführers wird grundsätzlich ausscheiden, da es im Falle einer vorzeitigen Erledigung nicht zur Anhängigkeit der Berufung kommt, die aber wiederum Voraussetzung für ein Erstattungsverhältnis ist.

Eine Ausnahme gilt dann, wenn nicht anhängige Gegenstände in einen Vergleich einbezogen werden und die Parteien eine entsprechende Kostenerstattung vereinbaren.

 

Beispiel: Der Beklagte ist zur Zahlung von 15.000 EUR verurteilt worden und lässt durch seinen Anwalt Berufung einlegen. Es kommt dann aufgrund einer außergerichtlichen Besprechung mit dem Gegenanwalt zu einer Einigung, in die weitere nicht anhängige 5.000 EUR einbezogen werden. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens und des Vergleichs vereinbaren die Parteien, dass diese der Berufungskläger zu 2/3 und der Berufungsbeklagte zu 1/3 tragen. Der Vergleich wird sodann nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellt.

Die aus dem Mehrwert angefallene 1,1-Verfahrensgebühr nach VV 3200, 3201 Anm. Abs. 1 Nr. 1 ist erstattungsfähig.

2. Berufungsgegner

 

Rz. 44

Soweit auf Seiten des Berufungsgegners aus dem Wert der Berufungsgegenstände eine 1,1-Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 angefallen ist, ist diese grundsätzlich zu erstatten.

a) Vorzeitige Erledigung durch Einigung

 

Rz. 45

Dies gilt zunächst einmal wiederum, wenn nicht anhängige Gegenstände in einen Vergleich mit einbezogen werden und die Parteien darin eine entsprechende Kostenerstattung vereinbaren.

b) Vorzeitige Erledigung durch Berufungsrücknahme

 

Rz. 46

Endet das Verfahren vorzeitig dadurch, dass die von der Gegenseite eingelegte Berufung zurück genommen wird, ist in mehrfacher Hinsicht zu differenzieren, wobei die Rechtsprechung zum Teil uneinheitlich ist.

aa) Grundsatz

 

Rz. 47

Die Grundfrage, die sich stellt, ist die, ob vor Eingang einer Berufungsbegründung der Berufungsbeklagte überhaupt berechtigt ist, sich in anwaltliche Vertretung zu begeben oder ob es ihm zuzumuten ist, abzuwarten, bis die Berufung begründet wird.

 

Rz. 48

Diese Frage war früher lange Zeit umstritten. Das galt insbesondere in den Fällen, in denen der Berufungskläger ausdrücklich erklärt hatte, er lege die Berufung nur fristwahrend ein und er zudem den Gegner gebeten hatte, aus Kostengründen von einer Bestellung Abstand zu nehmen, bis feststehe, ob die Berufung durchgeführt werde. Die frühere Rechtsprechung hat in diesen Fällen zum Teil eine Kostenerstattung gänzlich abgelehnt. Überwiegend war die Rechtsprechung später jedoch dazu übergegangen, dem Berufungsbeklagten bereits zuzugestehen, unmittelbar nach Erhalt einer auch nur fristwahrend eingelegten Berufung einen Anwalt mit seiner eigenen Interessenvertretung zu beauftragen und zwar selbst dann, wenn der Berufungskläger ausdrücklich erklärt hatte, dass die Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt werde und er darum gebeten hatte, von der Bestellung eines Anwalts Abstand zu nehmen.

 

Rz. 49

Der BGH hat in einer Grundsatzentscheidung noch zur BRAGO[11] klargestellt, dass er dieser Auffassung folge und dass der Beklagte die Kosten eines für das Berufungsverfahren bestellten Anwalts grundsätzlich erstattet verlangen könne. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH auch zu anderen Rechtsmittelverfahren.[12] Die Instanzgerichte sind dieser Rechtsprechung zwischenzeitlich – soweit ersichtlich – einhellig gefolgt.[13] So stellt das OLG Koblenz[14] klar, dass ein Berufungsbeklagter regelmäßig selbst nicht abschätzen kann, was zu seiner Rechtsverteidigung erforderlich ist. Ihm ist deshalb nicht zuzumuten, einen Anwalt erst dann zu beauftragen, wenn der Berufungsführer sich entschließt, die ohne entsprechende Mitteilung nur zur Fristwahrung eingelegte Berufung auch durchzuführen.

 

Rz. 50

Eine Erstattungspflicht wird nur dann abgelehnt, wenn ein sog. "Stillhalteabkommen" geschlossen worden ist, wenn also der Berufungsgegner zugesagt hat, zunächst keinen Anwalt zu bestellen. In diesem Fall liegt ein vertraglich vereinbarter Verzicht auf eine Kostenerstattung bis zur Berufungsbegründung vor, der dann auch eine Kostenerstattung ausschließt.[15] Das alleinige Schweigen auf eine Stillhaltebitte stellt nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln keine Willenserklärung dar und lässt ein Stillhalteabkommen nicht entstehen.[16] Ausreichend ist insoweit die Erklärung des erstinstanzlichen Bevollmächtigten. An seine Zusage bleibt die Partei auch dann gebunden, wenn sie anschließend ihren Prozessbevollmächtigten wechselt. Das Stillhalteabkommen wird zwischen den Parteien geschlossen und nicht zwischen den Anwälten. Einer Partei bleibt daher die Kostenerstattung auch dann versagt, wenn sie nach Abschluss eines solchen Stillhalteabkommens den Anwalt wechselt.[17]

 

Rz. 51

Ein Stillhalteabkommen der Parteien steht der Kostenerstattung nicht entgegen, wenn die Stillhaltefrist abgelaufen ist.[18]

 

Rz. 52

Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung für den Fall, dass der Anwalt sich selbst vertritt. Nach Auffassung des BGH[19] kann der sich selbst vertretene Anwalt bei nur fristwahrender Berufungseinlegung und Rücknahme innerhalb der Berufungsbegründungsfri...

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