I. Vorzeitige Beendigung nach Anm. Abs. 1 Nr. 1

 

Rz. 6

Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 entsteht lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt

einen Schriftsatz mit

Sachanträgen
Sachvortrag
Rücknahme der Klage oder
Rücknahme der Berufung

eingereicht oder

einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat.
 

Rz. 7

Nur eine ermäßigte Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 entsteht auch dann, wenn sich die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten darauf beschränkt, gegenüber dem Gericht anzuzeigen, dass die Parteien sich auf eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits verständigt hätten, den Vergleichstext mitzuteilen und darauf hinzuweisen, dass nach der Zustimmung des Beklagten nach § 278 Abs. 6 ZPO verfahren werden könne.[1]

 

Rz. 8

Die reduzierte 1,1-Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 entsteht für den Anwalt des Berufungsklägers insbesondere dann, wenn ihm der Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt worden, es aber zur Einlegung nicht mehr gekommen ist. Aus welchem Grund es nicht mehr zur Einlegung der Berufung gekommen ist, ist dabei unerheblich. Dies kann etwa darauf beruhen, dass der Anwalt von der Durchführung der Berufung abgeraten hat oder dass die Parteien zuvor doch noch eine Einigung getroffen haben.

 

Rz. 9

Die Einlegung der Berufung löst dagegen immer die volle Gebühr nach VV 3200 aus, auch wenn sie nicht begründet wird. Die Berufung selbst ist schon ein Sachantrag i.S.d. Anm. Abs. 1 Nr. 1.

 

Rz. 10

Ebenso löst die bloße Rücknahme der Berufung die volle 1,6-Gebühr aus, sodass eine Ermäßigung nach VV 3201 nicht eintritt.

 

Beispiel: Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung von 15.000 EUR hat der Beklagte fristwahrend durch Rechtsanwalt A Berufung einlegen lassen. Der Beklagte kündigt daraufhin das Mandat, beauftragt Rechtsanwalt B für das Berufungsverfahren, der sodann die Berufung zurücknimmt.

Sowohl Rechtsanwalt A als auch Rechtsanwalt B haben jeweils eine 1,6-Verfahrensgeühr nach VV 3200 verdient.

 

Rz. 11

Bei Rücknahme der Berufung ohne Begründung gilt nach § 47 Abs. 1 S. 2 GKG der volle Wert der Beschwer.

 

Rz. 12

Auch für den Anwalt des Berufungsbeklagten kann die reduzierte 1,1-Verfahrensgebühr entstehen. Hauptanwendungsfall ist die bloße Bestellung für den Berufungsbeklagten nach fristwahrend eingelegter Berufung, wenn der Anwalt noch keinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung gestellt hat. Es entsteht dann lediglich eine 1,1-Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1.

 

Beispiel: Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung von 15.000 EUR legt der Beklagte fristwahrend Berufung ein. Der Berufungsgegner beauftragt einen Anwalt, der sich im Berufungsverfahren bestellt, ohne bereits die Zurückweisung der Berufung zu beantragen.

 
1.

1,1-Verfahrensgebühr, VV 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu VV 3201

(Wert: 15.000 EUR)
789,80 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 809,80 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 VV   153,86 EUR
Gesamt   963,66 EUR
 

Rz. 13

Nimmt der Prozessbevollmächtigte eine gegen seinen Mandanten gerichtete Rechtsmittelschrift entgegen, ist anzunehmen, dass er, sofern er bereits einen entsprechenden Verfahrensauftrag für das Rechtsmittelverfahren hat, anschließend prüft, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen ist. Für das Entstehen der ermäßigten Verfahrensgebühr genügt das Betreiben des Geschäfts der zweiten Instanz mit einer Beratung des Mandanten oder der Beschaffung von Informationen, die in irgendeiner Weise der Durchführung des Verfahrens dienen. Ein Auftreten des Verfahrensbevollmächtigten gegenüber dem Gericht ist nicht erforderlich.[2] Damit entfaltet er eine Tätigkeit, die bereits die Verfahrensgebühr nach VV 3200 zum Entstehen bringt, allerdings in verminderter Höhe nach Anm. Abs. 1 Nr. 1; die Einreichung eines Schriftsatzes ist hierfür nicht erforderlich. Zugleich liegt in dieser Tätigkeit keine bloße Neben- bzw. Abwicklungstätigkeit der erstinstanzlichen Beauftragung gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9.[3] Eine mit der Entgegennahme der Berufungsschrift verbundene Prüfung von Fragen, die gebührenrechtlich zur ersten Instanz gehören, löst die Verfahrensgebühr für die Berufungsinstanz hingegen nicht aus.[4]

 

Rz. 14

Spätestens entsteht die Verfahrensgebühr für den Anwalt des Berufungsbeklagten, wenn er von diesem Informationen zur Verteidigung gegen das eingelegte Rechtsmittel entgegennimmt.[5]

 

Rz. 15

Beantragt der Anwalt der Berufungsbeklagten allerdings, die Berufung zurückzuweisen, oder kündigt er lediglich an, die Zurückweisung der Berufung zu beantragen, entsteht die volle 1,6-Verfahrensgebühr nach VV 3200.[6] Ob diese dann auch in dieser Höhe erstattungsfähig ist oder nur i.H.v. 1,1, ist eine Frage der Kostenerstattung, nicht eine Frage des Entstehens der Gebühr.

 

Rz. 16

Die Reduzierung der anwaltlichen Verfahrensgebühr nach VV 3201 tritt auch dann nicht ein, wenn ein Schriftsatz mit Sachvortrag eingereicht wird. Ein Sachantrag ist aber nicht erforderlich.[7]

 

Rz. 17

Dagegen entsteht nur die ermäßigte 1,1-Verfahrensgebühr nach VV 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu VV 3201, wenn der Prozessb...

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