I. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis (Anm. S. 1 Nr. 1, 1. Alt.)

1. Mündliche Verhandlung vorgeschrieben

 

Rz. 7

Eine Terminsgebühr entsteht nach der Anm. S. 1 Nr. 1 auch dann, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. VV 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. VV 1002 eingetreten ist.

 

Rz. 8

Nach § 124 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, aufgrund mündlicher Verhandlung. Anderes bestimmt ist u.a. in § 105 Abs. 1 SGG (Gerichtsbescheid) und in § 153 Abs. 4 SGG (Zurückweisung der Berufung durch Beschluss, wenn das Gericht sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält).

Daneben können Entscheidungen, die nicht Urteile sind, nach § 124 Abs. 3 SGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Somit kommt in allen Fällen, in denen das Gericht durch Beschluss entscheiden kann, eine Terminsgebühr nach diesem Tatbestand nicht in Betracht.

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG[2] kann daher grundsätzlich keine fiktive Terminsgebühr anfallen. Dasselbe gilt bei einer Entscheidung über die Kosten nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. In diesen Fällen kann daher eine Terminsgebühr nur nach VV Vorb. 3 Abs. 3 anfallen.

Ist eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, so kann das Gericht nach § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Anm. S. 1 Nr. 1 zu VV 3106 bestimmt für diesen Fall, dass der Rechtsanwalt die Terminsgebühr aus dem Betragsrahmen nach VV 3106 erhält. Auf die Erläuterungen zu Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu VV 3104 wird ergänzend verwiesen (siehe VV 3104 Rdn 7 ff.).

2. Schriftliche Entscheidung mit Einverständnis der Parteien

 

Rz. 9

Eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung setzt nach § 124 Abs. 2 SGG das Einverständnis der Beteiligten voraus. Um wirksam auf eine Entscheidung mit mündlicher Verhandlung zu verzichten, muss jeder Beteiligte sein Einverständnis klar, eindeutig und grundsätzlich – abgesehen von innerprozessualen Bedingungen wie dem Widerruf eines Vergleichs – vorbehaltlos erklären.[3] Ein Widerruf der Einverständniserklärung ist bis zum Eingang der Erklärungen der übrigen Beteiligten bei Gericht möglich. Danach scheidet ein Widerruf grundsätzlich aus.[4] Die Einverständniserklärung, deren Vorliegen das Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung von Amts wegen zu prüfen hat, verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich nach ihrer Abgabe die bisherige Tatsachen- oder Rechtsgrundlage und damit die Prozesssituation wesentlich geändert hat.[5]

[3] BSG 9.4.2019 – B 1 KR 81/18 B; BSG 6.10.2016 – B 5 R 45/16 B.
[4] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 3 Rn 53; LSG NRW 26.10.2016 – L 9 AL 45/16 NZB.
[5] BSG 2.7.2019 – B 2 U 156/18 B; BSG 17.12.2015 – B 2 U 132/15 B.

II. Einigung oder Erledigung i.S.d. VV 1000, 1002 (Anm. S. 1 Nr. 1, 2. Alt.)

 

Rz. 10

Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. zu VV 3106 entsteht die Terminsgebühr ausdrücklich auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. VV 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. VV 1002 eingetreten ist. Kann das Gericht allerdings wie in Eilverfahren (§§ 86b Abs. 4, 124 Abs. 3 SGG) oder über die allein verbliebene Frage der Kosten auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden, kommt eine Terminsgebühr für eine Einigung hierüber nicht in Betracht.

 

Rz. 11

Mit dem KostRÄG 2021 wurde der Wortlaut der Nr. 1 geändert. Zuvor hieß es in Anm. S. Nr. 1, 2. Alt., wenn "ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird".

1. Schriftlicher Vergleich, Einigung i.S.d. VV 1000

 

Rz. 12

Die Alternative des schriftlichen Vergleichs war erst durch das 2. KostRMoG eingeführt worden, um einen lange währenden Meinungsstreit zu beenden, ob eine Terminsgebühr auch allein aufgrund des Abschlusses eines Vergleichs in Betracht kommt. Während in VV 3104 der Fall explizit genannt war, war diese Alternative in der VV 3106 a.F. (bis 31.7.2013) nicht ausdrücklich vorgesehen.

 

Rz. 13

Der Streit um die Terminsgebühr war mit der Ergänzung der Anm. S. 1 Nr. 1 um das Merkmal des schriftlichen Vergleichs dennoch nicht erledigt. Nach dem überwiegenden Teil der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sollte die Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs nur dann anfallen können, wenn das Zustandekommen des Vergleichs nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG gerichtlich festgestellt oder nach § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 276 Abs. 6 ZPO vom Gericht protokolliert worden ist. Erforderlich sei ein Prozessvergleich, durch den der Rechtsstreit ohne zusätzliche prozessuale Erklärung erledigt ist, ein außergerichtlicher Vergleich genüge nicht.[6] Teilweise wurde sogar ausschließlich ein nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG geschlossener Vergleich für erforderlich gehalten.[7] Diese Auffassungen überzeugten nicht. Der Gesetzeswortlaut erforderte lediglich den Abschluss eines schriftlichen Vergleichs un...

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