Rz. 34

Nach der Regelung in Anm. Abs. 1 Nr. 1 fällt eine volle 1,2-Terminsgebühr schließlich auch dann an, wenn in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. VV 1000 geschlossen wird oder eine Erledigung der Rechtssache i.S.d. VV 1002 eingetreten ist. Diese Formulierung ist mit dem KostRÄG 2021 an die Stelle der bisherigen Regelung des Abschlusses eines schriftlichen Vergleichs getreten.

 

Rz. 35

Bei der bisherigen Formulierung war umstritten, ob als schriftlicher Vergleich auch ein privatschriftlicher Vergleich genügte oder ein gerichtlich protokollierter Vergleich erforderlich war. Nach ganz überwiegender Auffassung auch in der zivilgerichtlichen Rspr. fielen unter Anm. Abs. 1 Nr. 1 a.F. nicht nur solche Vergleiche, die mit Beteiligung des Gerichts zustande gekommen sind, wie z.B. die Vergleiche nach § 278 Abs. 6 ZPO, § 106 S. 2 VwGO,[35] sondern auch privatschriftliche Vergleiche, deren Inhalt nicht durch das Gericht nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird.[36] Denn der Wortlaut der Anm. Abs. 1 Nr. 1 erwähnte die Regelung des § 278 Abs. 6 ZPO nicht, sondern sprach allgemein von einem schriftlichen Vergleich. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprachen für diese Auslegung, da die Beilegung von Streitigkeiten möglichst ohne Inanspruchnahme der Gerichte gefördert werden und den Anwälten ein diesbezüglicher Anreiz über die Gebühren gegeben werden sollte. Diese Auffassung hatte zuletzt auch der BGH bestätigt.[37] In der verwaltungsgerichtlichen[38] und sozialgerichtlichen Rspr. wird allerdings unzutreffend oftmals ein gerichtlicher Vergleich gefordert (vgl. VV 3106 Rdn 13).

 

Rz. 36

Der Gesetzgeber sah angesichts der die Terminsgebühr ablehnenden Rechtsprechung die Notwendigkeit zum Handeln. Mit der Neuformulierung soll jetzt eindeutig klargestellt werden, dass in allen Fällen, in denen dem Rechtsanwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr zusteht, also auch bei einem privatschriftlichen Vergleich, die fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn diese Einigung oder Erledigung in einem Verfahren erfolgt, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. In diesem Zusammenhang sollte auch der im RVG nicht mehr verwendete Begriff "Vergleich" gestrichen und durch die Bezugnahme auf einen Vertrag nach VV 1000 ersetzt werden, wie dies bereits an anderen Stellen im RVG geschehen ist. Durch diese Regelung ist gewährleistet, dass nur eine solche Einigung eine fiktive Terminsgebühr auslöst, die auch den Gebührentatbestand der VV 1000 erfüllt. Das Ergebnis entspreche auch einem dem anwaltlichen Vergütungsrecht zugrundeliegenden Grundgedanken, Rechtsanwälten gebührenrechtliche Anreize dafür zu gewähren, dass sie zur Vermeidung oder Erledigung von Rechtsstreiten beitragen und damit dem Gericht Aufwand ersparen. Eine Beschränkung des Anfalls der fiktiven Terminsgebühr auf die Fälle des gerichtlichen Vergleichs laufe dieser Zielsetzung zuwider. Sie biete vielmehr einen Anreiz, einen schriftlichen Vergleich nur vor Gericht abzuschließen, und verursache damit dem Gericht letztlich Mehrarbeit.[39]

 

Rz. 37

Während also bisher Voraussetzung für die Terminsgebühr der Abschluss eines schriftlichen Vergleichs war, reicht es nunmehr aus, dass eine Einigung i.S.d. VV 1000 geschlossen wird. Der Abschluss eines Vergleichs oder die Schriftform ist nicht mehr erforderlich. Die Einigung kann auch formlos erfolgen. Der Einigungsvertrag muss allerdings wirksam geschlossen sein, darf also z.B. nicht widerrufen sein. Ergänzt wurde ferner, dass die Gebühr bei einer Einigung mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts anfällt. Damit ist eindeutig, dass eine Beteiligung des Gerichts gleich welcher Art am Zustandekommen der Einigung nicht erforderlich ist. Umgekehrt schließt eine Mitwirkung des Gerichts beispielsweise in Form eines Beschlussvorschlags oder der Vermittlung zwischen den Beteiligten das Entstehen der Terminsgebühr nicht aus.

 

Rz. 38

Neu aufgenommen wurde die Erledigung der Rechtssache i.S.d. VV 1002. Die Erledigungsgebühr entsteht dann, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (wegen der Einzelheiten zu VV 1002 wird auf die dortige Kommentierung verwiesen). Mit der jetzigen Formulierung ist klargestellt, dass immer, wenn dem Anwalt in Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung eine Erledigungsgebühr zusteht, auch eine "fiktive" Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1 anfällt. Während bei Erlass eines (Teil-)Abhilfebescheides eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 3 oft abgelehnt wird, kommt eine solche nun auch nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 in Betracht.

 

Rz. 39

Es muss sich allerdings um ein Verfahren handeln, für das an sich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, was auch in den Verfahren gemäß § 495a ZPO der Fall ist...

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