Rz. 32

Steht die Durchführung der mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts, so fehlt es im Regelfall an der für den Anfall der Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 vorgeschriebenen Voraussetzung einer vom Gesetz vorgesehenen mündlichen Verhandlung. Eine Ausnahme bilden die Verfahren nach § 495a ZPO. Hier entsteht die volle Terminsgebühr, obwohl das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen kann,[28] da § 495a ZPO im Text von Anm. Abs. 1 Nr. 1 ausdrücklich genannt ist.

 

Rz. 33

Nach § 495a ZPO kann das Gericht den Verlauf des Verfahrens nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert nicht über 600 EUR liegt. In der Praxis wird in solchen Fällen überwiegend ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die volle Terminsgebühr entsteht dann trotzdem, wenn ein Urteil oder eine sonstige die Endentscheidung vorbereitende Entscheidung ergeht, die eigentlich einer mündlichen Verhandlung bedurfte.[29] Die 1,2-Terminsgebühr nach VV 3104 steht dem Prozessbevollmächtigten im Verfahren nach § 495a ZPO unabhängig davon zu, ob der Beklagte Einwendungen erhoben hat, mit denen sich das Urteil auseinander setzt.[30] Da sich das Gebührenrecht nach den Entscheidungen des Gerichts richtet, ist nicht eine schriftsätzliche Säumnis des Beklagten entscheidend, sondern der Umstand, dass das Gericht das Verfahren nach § 495a ZPO angeordnet und ein mit Entscheidungsgründen versehenes Urteil (kein Versäumnisurteil) erlassen hat.[31] Wird jedoch ein Versäumnisurteil erlassen und ergeht kein streitiges Urteil, fällt nur eine reduzierte 0,5-Terminsgebühr nach VV 3105 an.[32] Das gilt auch dann, wenn gar kein Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt worden ist. Eine Berichtigung scheidet in diesem Fall aus.[33] Der Anwalt sollte daher immer ausdrücklich darauf hinwiesen, dass er keinen Antrag nach § 331 Abs. 3 ZPO stellt, zumal dieser im Verfahren nach § 495a ZPO völlig sinnlos ist. Schlüssig sein muss der Vortrag des Klägers ohnehin. Dann macht aber ein anfechtbares Versäumnisurteil gegenüber einem unanfechtbaren Schlussurteil keinen Sinn.

Bedurfte allerdings die im Verfahren nach § 495a ZPO erlassene Entscheidung ohnehin keiner mündlichen Verhandlung, entsteht auch im Verfahren nach § 495a ZPO keine Terminsgebühr. Denn die Anm. 1 Nr. 1 zu VV 3104 will den Anwalt nicht besser stellen, als er ohne die Anordnung des Verfahrens nach § 495a ZPO stehen würde. Es entsteht daher beispielsweise keine Terminsgebühr, wenn im Verfahren nach § 495a ZPO der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verworfen wird, da diese Entscheidung gemäß §§ 700 Abs. 1, 341 Abs. 2 ZPO keiner mündlichen Verhandlung bedarf.[34]

[28] LG Stuttgart MDR 1993, 86.
[29] Auch in den Fällen, in denen im schriftlichen Verfahren ein Anerkenntnisurteil erlassen wurde, obgleich dieses nicht mehr hätte ergehen dürfen, entstand für den Prozessbevollmächtigten allerdings die Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1, da es auf den tatsächlichen Verfahrensablauf und nicht auf die prozessuale Zulässigkeit ankommt.
[30] OLG Düsseldorf RVGreport 2009, 185; AG Kleve AGS 2006, 542 m. Anm. Schons; a.A. AG München AGS 2007, 442 (m. Anm. Schons), wonach nur eine reduzierte Terminsgebühr nach VV 3105 entsteht, wenn sich der Beklagte im Verfahren nach § 495a ZPO nicht meldet und sodann ein streitiges Endurteil ergeht.
[32] AG Pforzheim 7.12.2018 – 8 C 121/18, AGS 2019, 6 = FamRZ 2019, 1083; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3105 Rn 37.
[33] AG Bielefeld 3.3.2020 – 403 C 142/19, NJW-Spezial 2020, 221.
[34] AG Ansbach AGS 2006, 544 m. Anm. N. Schneider.

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