I. Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Die Vorschrift des VV 1009 gilt für alle anwaltlichen Tätigkeiten, die nach dem RVG zu vergüten sind. Wird der Anwalt in einem Aufgabenbereich nach § 1 Abs. 2 tätig, ist VV 1009 nicht anwendbar, so dass kein Anspruch auf die Hebegebühren entsteht.[3]

 

Rz. 4

Für Notare fand sich bislang eine inhaltsgleiche Regelung in § 149 KostO. Seit dem 1.8.2013 erhält ein Notar nach Nr. 25300 GNotKG-KostVerz. je Auszahlung bei Beträgen bis 13 Mio. EUR eine 1,0-Gebühr nach Tabelle B und bei darüber hinausgehenden Beträgen 0,1 % des Auszahlungsbetrags. Gleiches gilt nach Nr. 25301 GKG-KostVerz. für die Entgegennahme von Wertpapieren und Kostbarkeiten zur Verwahrung.

Für den Anwaltsnotar kommt es darauf an, ob er Gelder in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt verwahrt (dann gilt VV 1009) oder ob es sich um notarielle Tätigkeit handelt (dann gelten die Nrn. 25300, 25301 GNotKG-KostVerz.).

 

Rz. 5

Ob Hebegebühren neben einer nach §§ 3a ff. vereinbarten Vergütung zusätzlich gefordert werden können, kann nicht generell beantwortet werden. Es kommt stets auf den Einzelfall an. Im Zweifel wird man bei Pauschalhonoraren auch eventuelle Hebegebühren als durch das vereinbarte Honorar abgegolten ansehen müssen.[4] Es empfiehlt sich daher, in der Vergütungsvereinbarung eine gesonderte Regelung zu treffen.

 

Rz. 6

Lässt sich der Anwalt auf die von einigen Haftpflichtversicherern angebotenen Abrechnungsgrundsätze ein, sind Hebegebühren nach den meisten Grundsätzen durch die Pauschalen abgegolten.

 

Rz. 7

Nimmt der Anwalt einen Geldbetrag auf sein Anderkonto, um diesen Betrag später nach Weisung des Mandanten zu verwenden, ohne dass diese Empfangnahme und Weiterleitung mit einer im RVG geregelten Berufstätigkeit in Zusammenhang steht, entsteht keine Hebegebühr nach VV 1009.[5] Der Anwalt kann in diesem Fall für die Aufbewahrung und Weiterleitung nur eine angemessene Vergütung nach §§ 631, 632 BGB verlangen. Die Bemessung dieser Vergütung kann sich aber wiederum an der Gebühr nach VV 1009 orientieren.[6]

[3] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 1009 Rn 2.
[4] Ausführlich N. Schneider, Vergütungsvereinbarung, Rn 1086, 1186.
[5] OLG Frankfurt AGS 2002, 222 = zfs 2002, 247.
[6] OLG Frankfurt AGS 2002, 222 = zfs 2002, 247.

II. Auszahlungen und Rückzahlungen (Anm. Abs. 1)

1. Besondere Angelegenheit

 

Rz. 8

Die Aus- oder Rückzahlung der an den Anwalt geleisteten Zahlungen gehört nicht mehr zu der Gebührenangelegenheit, anlässlich der die Gelder weitergeleitet werden, sondern stellt ein eigenes Verwahrungsgeschäft und damit gebührenrechtlich eine selbstständige Angelegenheit i.S.d. § 15 dar.[7] Missverständlich ist daher die teilweise verwendete Formulierung, die Hebegebühr könne in derselben Angelegenheit mehrmals entstehen. Die Hebegebühr entsteht nicht in einer Angelegenheit, sondern anlässlich einer anderen Angelegenheit,[8] also z.B. anlässlich der außergerichtlichen Vertretung, anlässlich des Rechtsstreits, anlässlich der Zwangsvollstreckung u.Ä. Jeder Verwahrungsvorgang ist dabei eine eigene Angelegenheit und löst somit auch jeweils eigene Hebegebühren aus.

 

Rz. 9

Dies hat u.a. Bedeutung für die Berechnung der Hebegebühren bei mehreren Auszahlungen. Hier gilt nicht § 15 Abs. 2, sondern es entstehen in jeder Auszahlungsangelegenheit eigene Gebühren (vgl. Rdn 1, 55); der Anwalt erhält auch für jeden Auszahlungsvorgang eine gesonderte Postentgeltpauschale nach VV 7002.

 

Rz. 10

Auch im Übrigen hat die Selbstständigkeit der Gebühren nach VV 1009 durchaus Bedeutung, etwa für die Verjährung. Da es sich bei der Entgegennahme und Weiterleitung um eine eigene Angelegenheit handelt, wird der Verjährungsbeginn der Vergütung aus der zugrunde liegenden Angelegenheit hiervon nicht berührt. Die Verjährung beginnt unabhängig davon, wann die Gelder ausgezahlt werden:[9]

 

Beispiel: Der Anwalt hatte im Dezember 2017 für seinen Mandanten einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach dieser 5.000 EUR von der Gegenseite erhalten soll. Der Gegner hatte die Vergleichssumme im Januar 2018 an den Anwalt gezahlt, der diese sofort weitergeleitet hat.

Die außergerichtliche Tätigkeit war mit Abschluss des Vergleichs, also noch in 2017, beendet, so dass die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit mit Ablauf des 31.12.2020 verjährt sind.[10]

Die Weiterleitung der Zahlung war dagegen eine neue selbstständige Angelegenheit; die Hebegebühr ist daher noch nicht verjährt; sie verjährt erst mit Ablauf des 31.12.2021.

[7] OLG München JurBüro 1967, 228; Riedel/Sußbauer/Schütz, VV 1009 Rn 2; a.A. offenbar Mümmler, JurBüro 2001, 295; Enders, JurBüro 1998, 131.
[8] Riedel/Sußbauer/Schütz, VV 1009 Rn 2.
[9] AG Köln AGS 1999, 150 = JurBüro 1999, 528.
[10] AG Köln AGS 1999, 150 = JurBüro 1999, 528.

2. Auftrag

 

Rz. 11

Voraussetzung für den Anfall der Hebegebühr ist, dass der Anwalt von seinem Mandanten (auch) den Auftrag erhalten hat, Gelder auszuzahlen. Zumeist geht damit auch der Auftrag einher, diese Gelder zuvor einzuziehen oder entgegenzunehmen.[11] Denkbar ist aber auch ein isolierter Auszahlungs- oder Weiterleitungsauftrag, der ausreicht, da es nach VV 1009 nur auf die Auszahlung ank...

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