Rz. 88

Bei der Frage, wie sich eine Erledigung des Rechtsstreits auf die anwaltliche Verfahrensgebühr auswirkt, ist zu differenzieren: Wird die Erledigung im Termin erklärt, so ist die Verfahrensgebühr für beide Anwälte bereits aus dem vollen Wert der Hauptsache entstanden und kann durch die nachträgliche Verringerung des Gegenstandswertes nicht mehr beeinflusst werden.

 

Rz. 89

Erfolgt eine schriftsätzliche Erledigungserklärung vor dem Termin, so bleibt die für den Anwalt des Klägers bereits entstandene Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert davon unberührt. Ob für den Anwalt des Beklagten noch eine Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert entsteht, hängt davon ab, wie sein Auftrag lautete. War er beispielsweise nur beauftragt, den Beklagten nach erfolgter Erledigungserklärung gegen die Kostenlast zu verteidigen, entsteht die Verfahrensgebühr nur aus dem Kostenwert,[101] ansonsten aus dem vollen Hauptsachewert.

 

Rz. 90

Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf[102] erhält der Anwalt des Beklagten dann die 1,3-Verfahrensgebühr nach dem ursprünglichen Wert der Hauptsache, wenn er rät, einen Teilbetrag zu bezahlen, und der Beklagte diesem Rat folgt. Maßgebend für die Höhe der Gebühr seien der Gegenstand, auf den sich der Auftrag beziehe, und der konkrete Wert dieses Gegenstands im Zeitpunkt der Entstehung der Gebühr. Der Streitwert reduziere sich erst mit der Abgabe der Erledigungserklärungen um den bezahlten Betrag, bei Erledigung der Hauptsache werde der Gegenstand also durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien und nicht schon durch die tatsächliche Erledigung auf das Kosteninteresse reduziert.[103] Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Verfahrensgebühr berechnet sich also grundsätzlich nach dem Wert der Klage, solange nicht zum Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Rechtsanwalt die Klage bereits (teilweise) rechtswirksam zurückgenommen worden ist. Wird im Termin die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt, ändert dies also nichts daran, dass die Verfahrensgebühr nach dem vollen Gegenstandswert der Klage zu berechnen ist.[104]

 

Rz. 91

Dies gilt sowohl für den Rechtsanwalt des Beklagten als auch für den Rechtsanwalt des Klägers. Hat also der Mandant den Prozess zunächst selbst oder durch einen anderen Rechtsanwalt geführt, erhält der später zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Verfahrensgebühr auch dann nach dem vollen Wert der anhängigen Klage, wenn er die – vollständige oder teilweise – Erledigung der Hauptsache anzeigt.

Der Anwalt des Beklagten erhält die Verfahrensgebühr auch dann aus dem vollen Wert der Hauptsache, wenn er im Anschluss an eine außergerichtliche Erledigung der Hauptsache mit einem Antrag nach § 91a ZPO erstmals dem Gericht gegenüber tätig wird.[105] Denn der Gegenstand des Rechtsstreits wird erst durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien reduziert und nicht schon durch die tatsächliche Erledigung.

 

Rz. 92

Gleiches gilt im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, wenn der Anwalt erst nach teilweiser Tilgung der Klageforderung mit der Ankündigung eines entsprechend verminderten Klageantrags einschließlich der Abgabe einer Erledigungserklärung beauftragt wird.[106] Von seinem Mandanten kann er dafür eine Verfahrensgebühr nach dem ursprünglichen Hauptsachewert verlangen, denn bis zur Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen oder bis zur teilweisen Klagerücknahme bleibt der ursprünglich geltend gemachte Anspruch noch rechtshängig. Im Verhältnis zur anderen Prozesspartei wird man allerdings einen weiter gehenden, d.h. über den streitigen Teil hinausgehenden Klageabweisungsantrag möglicherweise als nicht notwendig i.S.v. § 91 ZPO anzusehen haben.

 

Rz. 93

Hat der Beklagte jedoch dem Rechtsanwalt von Anfang an nur ein Mandat hinsichtlich des Teilbetrags erteilt, beispielsweise weil er schon vor der Mandatserteilung an den Rechtsanwalt die Absicht hatte, die Klageforderung teilweise auszugleichen, kann sich die Verfahrensgebühr nur nach dem Wert richten, den der eingereichte – verminderte – Klageabweisungsantrag hat. Voraussetzung ist, dass der Rechtsanwalt keinerlei Auftrag hinsichtlich desjenigen Teilbetrages erhält, den der Mandant zuvor ausgleichen will, also auch keinen Auftrag zur Abgabe einer Erledigungserklärung.

[101] Enders, JurBüro 2005, 113.
[102] OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 241 m. Anm. Mümmler.
[103] OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 241 m. Anm. Mümmler; ebenso OLG Stuttgart JurBüro 1981, 860, 1351.
[104] KG JurBüro 1977, 1379; Hartmann/Toussaint, KostR, VV 3100 Rn 51.
[105] Hartmann/Toussaint, KostR, VV 3100 Rn 51; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV Teil 3 Vorb. 3 Rn 33; OLG Hamm JurBüro 1977, 663; OLG Stuttgart JurBüro 1981, 1351; OLG Frankfurt MDR 1984, 240; OLG Düsseldorf JurBüro 1991, 408.
[106] OLG Frankfurt JurBüro 1984, 59.

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