a) Auf Klägerseite

 

Rz. 70

Erfolgt auf der Klägerseite ein Parteiwechsel, fällt für den Rechtsanwalt des Beklagten die Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 nur einmal an.[80] Denn auch wenn er den Beklagten im Rechtsstreit gegen verschiedene Kläger vertritt, handelt es sich um dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, für die die Verfahrensgebühr nur einmal abgerechnet werden kann.

[80] OLG Koblenz KostRsp. BRAGO § 31 Ziff. 1 Nr. 79; LG Nürnberg JurBüro 1975, 1465.

b) Auf Beklagtenseite

 

Rz. 71

Sofern der Rechtsanwalt nach Klageerhebung feststellt, dass er den "falschen" Beklagten verklagt hat, kann er die Klage zurücknehmen und die Klage gegen den "richtigen" Beklagten erneut erheben. Diese Verfahrensweise ist allerdings in mehrfacher Hinsicht nachteilig. Die Klagerücknahme führt nicht zu einer vollständigen, sondern gemäß Nr. 1211 GKG-KostVerz. nur zu einer teilweisen Erstattung der Gerichtsgebühren, während die erneute Klageerhebung zu einem neuerlichen Anfall von Gerichtsgebühren führt. Ferner verliert der Kläger Zeit, da er eine neue Klagezustellung veranlassen muss.

 

Rz. 72

Zur Vermeidung derartiger Nachteile ist daher eine subjektive Klageänderung zu empfehlen. Eine solche kann gerichtskostenneutral dergestalt durchgeführt werden, dass anstelle der zunächst verklagten Partei der Prozess nunmehr gegen einen anderen Beklagten fortgeführt wird, worin eine Klagerücknahme gegenüber dem alten Beklagten verbunden mit einer Klageerhebung gegen den neuen Beklagten zu sehen ist. Dieses prozessuale Vorgehen wird von der herrschenden Meinung in analoger Anwendung von § 263 ZPO als zulässig angesehen.[81] Für den Rechtsanwalt des Klägers entstehen keine neuen Gebühren, da er weiterhin denselben Mandanten im selben Verfahren vertritt.

 

Rz. 73

Für den Rechtsanwalt, der zunächst den alten Beklagten und später den neuen Beklagten vertritt, hängt die Frage, ob eine weitere 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 entsteht, vom prozessualen Ablauf der subjektiven Klageänderung ab, wobei die Einzelheiten umstritten sind:

Wird der Anwalt vom neuen Beklagten erst zu einem Zeitpunkt mandatiert, zu dem der alte Beklagte bereits aus dem Rechtsstreit ausgeschieden ist, entsteht nach einer Meinung die 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 erneut.[82] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klagerücknahme sofort mit dem Eingang beim Prozessgericht wirksam ist, während es hinsichtlich des neuen Beklagten der erneuten Zustellung der Klage bedarf. Diese Zustellung kann nicht an den bisherigen Rechtsanwalt erfolgen, da dieser insoweit noch gar nicht mandatiert ist. Erfolgen die Prozessaufträge damit zeitlich nacheinander, dann handelt es sich kostenrechtlich um gesonderte Verfahren. Mit dem Parteiwechsel endet das ursprüngliche Prozessverhältnis zwischen dem Kläger und dem früheren Beklagten und beginnt ein neues Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem nunmehrigen Beklagten.

 

Rz. 74

Nach der Gegenmeinung entsteht für den Rechtsanwalt, der beide Parteien nacheinander vertritt, die Verfahrensgebühr nur einmal, allerdings gemäß VV 1008 um 0,3 erhöht.[83] Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Wenn der BGH in seiner Entscheidung vom 19.10.2006[84] darauf abstelle, dass die bei einem Parteiwechsel vorliegende Kontinuität des gerichtlichen Verfahrens und die gebührenrechtliche Einheit des Rechtszugs die Vertretung wechselnder Parteien zu einer einzigen gebührenrechtlichen Angelegenheit verbindet, ist dies eine These und keine Begründung. Für die Gebührenfrage ist nicht die Kontinuität eines gerichtlichen Verfahrens, sondern der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit entscheidend.

 

Rz. 75

Nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 gilt jeder Rechtszug als eine besondere Angelegenheit. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass innerhalb desselben (prozessualen) Rechtszugs nicht mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten vorliegen können. Es gibt vielmehr eine Reihe von Situationen, in denen der prozessuale und der gebührenrechtliche Rechtszug nicht deckungsgleich sind, beispielsweise im Verhältnis Mahnverfahren und streitiges Verfahren sowie Urkundsverfahren und Nachverfahren. Der Anwalt wird für den neuen Beklagten aufgrund eines gesonderten Auftrags tätig, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem ursprünglichen Beklagen bereits beendet ist. Lediglich aufgrund einer besonderen zivilprozessualen Konstruktion kann das Verfahren mit einer neuen Partei fortgesetzt werden, die eigentlich im Rahmen eines neuen Verfahrens in Anspruch genommen werden müsste. Dass es sich in diesen Fällen gebührenrechtlich um einen neuen Rechtszug handelt, wird auch dadurch verdeutlicht, dass sich der Beklagte ohne Weiteres von einem anderen Rechtsanwalt vertreten lassen könnte, ohne dass es sich dabei um einen unnötigen Anwaltswechsel i.S.d. Kostenrechts handeln würde.

 

Rz. 76

Etwas anderes gilt dann, wenn die Verfahren gegen beide Beklagten zumindest eine gewisse Zeit gleichzeitig parallel anhängig waren. In prozessualer Hinsicht setzt dies voraus, dass der zunächst in Anspruch gen...

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