aa) Spezialregelungen

 

Rz. 32

Zwar ist die Geschäftsgebühr einerseits nur bei außergerichtlichen Tätigkeiten anwendbar, andererseits werden aber nicht sämtliche außergerichtlichen Tätigkeiten von diesem Tatbestand erfasst. Es ist stets zu prüfen, ob nicht vorrangige Spezialregelungen greifen. Ist dies der Fall, ist nicht die Geschäftsgebühr abzurechnen, sondern der in den jeweiligen spezielleren Normen vorgesehene Gebührentatbestand.

 

Rz. 33

So ist die Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 35 nach der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) abzurechnen; für die Geschäftsgebühr nach VV 2300 bleibt daher kein Raum.[12] Für Mediationstätigkeiten sieht § 34 Abs. 1 vor, dass der Rechtsanwalt eine Honorarvereinbarung schließen soll. Die Tätigkeit im schiedsrichterlichen Verfahren (§§ 1025 ff. ZPO) und vor dem Schiedsgericht (§ 104 ArbGG) werden nach Teil 3 Abschnitt 1, 2 und 4 vergütet (§ 36 Abs. 1, Vorb. 2 Abs. 1 VV). Die außergerichtliche Tätigkeit in Strafsachen ist in VV Teil 4 gesondert geregelt, so dass hier die Geschäftsgebühr nicht anfallen kann. Für den Zeugenbeistand war lange Zeit umstritten, welche Gebührentatbestände auf seine Tätigkeit anzuwenden seien. Teilweise wurde die Anwendung des § 118 BRAGO befürwortet.[13] Da diese Tätigkeit inzwischen spezialgesetzlich für die jeweiligen Verfahren geregelt und der Tätigkeit des Prozessvertreters gleichgestellt ist, ist klargestellt, dass die Geschäftsgebühr nicht einschlägig ist. Das gilt auch für die Tätigkeit eines Zeugenbeistandes in einem Untersuchungsausschuss, die früher jedenfalls nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung nach § 118 BRAGO zu vergüten war.[14] Die Tätigkeit in sozialrechtlichen Angelegenheiten wird nach VV 2302 Nr. 1[15] vergütet.

 

Rz. 34

Ist der Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe tätig, stellt VV 2500 eine abschließende Spezialregelung für die Vergütung dieser Tätigkeit dar (vgl. VV Vorb. 2.5 Abs. 1), so dass die Geschäftsgebühr nach VV Teil 2 Abschnitt 3 nicht anfällt.

 

Rz. 35

Werden gleichzeitig mit einem Rechtsstreit gerichtlich nicht anhängige Ansprüche behandelt, hängt der einschlägige Gebührentatbestand für die Verhandlung über die nicht anhängigen Ansprüche davon ab, ob der Rechtsanwalt hinsichtlich dieser Ansprüche einen Verfahrensauftrag hatte,[16] Verhandlungen vor Gericht zur Einigung darüber führen oder von vornherein eine etwaige Einigung bei Gericht protokolliert werden sollte.[17] Ist das der Fall, richten sich die Gebühren nach VV Teil 3. Besteht dagegen kein Klageauftrag, sondern nur ein Auftrag zur außergerichtlichen Geltendmachung, richtet sich der Gebührenanspruch für die nicht anhängigen Ansprüche nach VV 2300.[18]

 

Beispiel: Der Anwalt vertritt den Mandanten in einem Rechtsstreit über 10.000 EUR. Es kommt in einem außergerichtlichen Termin zwischen den Anwälten zu einer Einigung über die Klagesumme und weiteren 5.000 EUR, die nicht anhängig sind und hinsichtlich derer auch kein Klageauftrag besteht.

Wert: 10.000 EUR

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 798,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 736,80 EUR
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 614,00 EUR
  Wert: 5.000 EUR  
4. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 434,20 EUR
5. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 501,00 EUR

Der Gesamtwert der Einigungsgebühr ist gemäß § 15 Abs. 3 begrenzt auf eine 1,5-Einigungsgebühr aus 15.000 EUR (1.077 EUR). Eine Terminsgebühr für die Einigungsverhandlung über die nicht anhängigen Ansprüche kann nicht entstehen, weil die Anwälte insoweit keinen Klageauftrag haben.[19] Dass eine Besprechung stattgefunden hat, wird nur bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr im Rahmen von § 14 Abs. 1 berücksichtigt.

 

Beispiel: In einem Rechtsstreit über 10.000 EUR einigen sich die Anwälte außergerichtlich über die Klageforderung und eine weitere Forderung i.H.v. 5.000 EUR, die nicht anhängig ist. Für die weitere Forderung besteht jedoch Klageauftrag.

Wert: 10.000 EUR

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 798,20 EUR  
  Wert: 5.000 EUR:    
2. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 2 267,20 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 max. 1,3 aus 15.000 EUR   933,40 EUR
  Wert: 10.000 EUR:    
3. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1003 614,00 EUR  
  Wert: 5.000 EUR:    
4. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 501,00 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 max. 1,5 aus 15.000 EUR   1.077,00 EUR
  Wert: 15.000 EUR:    
5. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   861,60 EUR
[12] Zur Abgrenzung der Tätigkeit von Rechtsanwalt und Steuerberater vgl. OLG Düsseldorf RVG-Berater 2004, 101 m. Anm. Onderka.
[13] Hansens, BRAGO, § 118 Rn 5.
[14] Madert, Anwaltsgebühren in Straf- und Bußgeldsachen, S. 81.
[15] Früher VV 2400; geändert durch 2. KostRMoG.
[16] BGH 16.1.1969 – VII ZR 66/66, NJW 1969, 932; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2300 Rn 10; Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, VV Teil 2 Rn 45.
[17] BGH 19.10.1967 – VII ZR 324/64, BGHZ 48, 334; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2300 Rn 10.
[18] Vgl. BGH 16.1.1969 – VII ZR 66/66, NJW 1969, 932.
[19] Vgl. Bonnen, MDR 2005, 1084, 1085; Meyer, JurBüro 2004, 575; zur Streitfrage, ob die Entstehung einer Terminsgebühr für eine Besprechung ein ...

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