1. Grundsatz

 

Rz. 25

Werden im Verlauf eines Rechtsstreits infolge eines Anwaltswechsels mehrere Anwälte tätig, so sind ihre Kosten dann erstattungsfähig, wenn der Anwaltswechsel notwendig war (§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO). Eine solche Notwendigkeit wird in der Rspr. in den folgenden Fällen bejaht bzw. verneint:

2. Tod oder Erkrankung des Anwalts

 

Rz. 26

Beim Tod des Anwalts ist grundsätzlich von einem notwendigen Anwaltswechsel auszugehen.[10]

 

Rz. 27

Unerheblich ist, ob der Verstorbene mit einem anderen Rechtsanwalt in Bürogemeinschaft verbunden war.[11] Beim Tode lediglich eines Sozius ist ein Anwaltswechsel dagegen nicht erforderlich, da die übrigen Mitglieder der Sozietät das Mandat fortführen können. Wechselt der Mandant in diesen Fällen, etwa weil er zu den übrigen Sozien kein Vertrauen hat, rechtfertigt dies keine doppelte Kostenerstattung.[12]

 

Rz. 28

In Ausnahmefällen gelten diese Grundsätze auch bei einer längeren Erkrankung.[13]

[10] OLG München Rpfleger 1962, 5; OLG Düsseldorf NJW 1963, 660; OLG Frankfurt JurBüro 1981, 126; OLG Hamburg JurBüro 1985, 1870; OLG Hamm JurBüro 1969, 642.
[11] OLG Stuttgart Justiz 1969, 224.
[12] OLG Hamburg JurBüro 1975, 773; OLG Frankfurt JurBüro 1977, 1618.
[13] OLG München JurBüro 1970, 320 (im konkreten Fall allerdings verneinend).

3. Freiwilliges Ausscheiden aus der Anwaltschaft

 

Rz. 29

Scheidet der Anwalt aus der Anwaltschaft aus, so ist der Wechsel ebenfalls stets notwendig. Zum Teil stellt die Rspr. darauf ab, ob die Entscheidung, die Anwaltszulassung aufzugeben, aus beachtenswerten Gründen erfolgt ist,[14] was im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen sei.[15] Dies dürfte in dieser Form nicht zutreffend sein, da die persönliche Entscheidung des Anwalts nicht der erstattungsberechtigten Partei angerechnet werden kann.[16] Keine Erstattungsfähigkeit ist aber dann gegeben, wenn der Praxisübernehmer mit dem vorherigen Anwalt vereinbart hat, dass die im Zeitpunkt der Praxisaufgabe anhängigen Mandate ohne Berechnung von Mehrkosten zu Ende geführt werden sollen.[17]

 

Rz. 30

Es stellt sich in diesen Fällen allerdings die Frage, ob der freiwillig aus der Anwaltschaft ausscheidende Anwalt überhaupt einen Anspruch auf Vergütung hat oder ob der Vergütungsanspruch infolge Interessenwegfalls erloschen ist (§ 628 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB). Diese Frage ist aber grundsätzlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren auszutragen, sondern gegebenenfalls nachträglich im Wege der Vollstreckungsgegenklage.

 

Rz. 31

Als nicht notwendig angesehen hat der BGH[18] einen Anwaltswechsel nach Rückgabe der Zulassung des ersten Anwalts wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten.

 

Rz. 32

Als notwendig angesehen hat der BGH dagegen[19] einen Anwaltswechsel nach Rückgabe der Zulassung wegen Übernahme der Pflege der eigenen Mutter nach Ausfall der bisherigen Pflegeperson (hier Tod des Vaters). Die Übernahme der Pflegetätigkeit stelle einen anerkennenswerten Grund für die Aufgabe der Anwaltstätigkeit dar, auch unter Berücksichtigung dessen, dass übernommene Mandate nicht zu Ende geführt werden können. Hierdurch entstehende Mehrkosten eines Prozesses seien von den Betroffenen hinzunehmen.

[14] BGH 12.9.2012 – IV ZB 3/12, AGS 2012, 544 = RVGreport 2012, 422 = NJW 2012, 3790; BGH 22.8.2012 – XII ZB 183/11, MDR 2012, 1436; OLG Naumburg AGS 2006, 45 m. abl. Anm. Onderka; OLG Frankfurt RPfleger 1986, 66; OLG Hamburg JurBüro 1993, 351; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1343; OLG Koblenz MDR 1991, 1098; OLG Koblenz AGS 2006, 461 = JurBüro 2006, 543 (Erstattungsfähigkeit bejaht bei Aufgabe aus gesundheitlichen Gründen); Zöller/Herget, § 91 ZPO Rn 13 "Anwaltswechsel".
[15] BGH 12.9.2012 – IV ZB 3/12, AGS 2012, 544 = RVGreport 2012, 422 = NJW 2012, 3790.
[16] Die Notwendigkeit der Kosten eines Anwaltswechsels haben bejaht: OLG Neustadt NJW 1961, 1777; OLG München Rpfleger 1970, 96; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 453; OLG Hamburg MDR 1965, 395; OLG Koblenz JurBüro 1978, 1068; OLG Frankfurt JurBüro 1974, 1599; OLG Düsseldorf JurBüro 1978, 1877. Die Erstattungsfähigkeit verneint haben dagegen: KG Rpfleger 1962, 158; OLG Nürnberg JurBüro 1972, 518; OLG Hamburg AnwBl 1972, 129; OLG Braunschweig JurBüro 1973, 871.
[17] OLG Celle Rpfleger 1969, 22.
[19] BGH 12.9.2012 – IV ZB 3/12, AGS 2012, 544 = RVGreport 2012, 422 = NJW 2012, 3790.

4. Entzug der Zulassung

 

Rz. 33

Wird dem bisherigen Anwalt die Zulassung entzogen und beauftragt der Mandant einen neuen Anwalt, soll die Erstattungsfähigkeit aus den gleichen Erwägungen (siehe Rdn 37) nicht gegeben sein.[20] Auch dies dürfte in dieser Form nicht zutreffend sein, da das Fehlverhalten des Anwalts der erstattungsberechtigten Partei nicht angerechnet werden darf.

[20] OVG Mecklenburg-Vorpommern NordÖR 2007, 269 (Entzug wegen Nichtzahlung der Haftpflichtversicherungsprämie).

5. Zeitablauf

 

Rz. 34

Wird nach längerem Zeitablauf – sei es aufgrund einer Aussetzung, einer Unterbrechung o.Ä. – das Verfahren erst nach Jahren fortgeführt und ist der seinerzeit beauftragte Anwalt nicht mehr tätig, so ist zu differenzieren:

 

Rz. 35

Liegen zwischen der Erledigung der früheren Angelegenheit und der Fortsetzung der Angelegenh...

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