Rz. 20

Soweit Gebühren oder Auslagen doppelt angefallen sind, muss der erste Anwalt bei einem von ihm verschuldeten Anwaltswechsel immer zurückstehen.[30] Das gilt allerdings nur für Gebühren und Auslagen, die ohne Anwaltswechsel lediglich einmal hätten anfallen können (vgl. § 15 Abs. 2). Hätten sie indes auch dann nebeneinander Bestand, wenn es bei der ersten Beiordnung geblieben wäre, findet eine Anspruchskürzung nicht statt. Denn die Vorschrift will einzig vermeiden, dass der Staatskasse durch ein Anwaltsverschulden Mehrkosten entstehen. Sie soll hingegen keine Kostenersparnis zu Lasten des ersten Anwalts bewirken.

Das bedeutet:[31]

Die deckungsgleichen Gebühren erhält nur der neu beigeordnete oder bestellte Anwalt.
Nur die Gebühren, die in der Person des neu beigeordneten oder bestellten Anwalts nicht entstehen, kann der bisherige Anwalt fordern.
Wird der zunächst beigeordnete oder bestellte Anwalt zwar entpflichtet, aber kein neuer Anwalt bestellt oder beigeordnet, ist der Anspruch des bisherigen Anwalts von der Staatskasse zu erfüllen; § 54 gilt nicht.
 

Rz. 21

 

Beispiel: Der zunächst beigeordnet gewesene Anwalt nimmt an einem Beweisaufnahmetermin als Ortstermin teil. Nachdem der Anwalt (für ihn vorhersehbar und vermeidbar) seine Zulassung aufgegeben hat, wird die Beweisaufnahme vor Ort in einem weiteren Termin mit dem alsdann beigeordneten Anwalt fortgesetzt. Abschließend wird zur Sache und zum Beweisergebnis verhandelt.

An Vergütungsansprüchen sind entstanden:

1. In der Person des ersten Anwalts: Verfahrensgebühr (VV 3100), Terminsgebühr (VV 3104), Auslagenersatz für Geschäftsreise zum Beweisort (VV 7003 ff.), Post- und Telekommunikationspauschale (VV 7002).

2. In der Person des anderen Anwalts: Verfahrensgebühr (VV 3100), Terminsgebühr (VV 3104), Auslagenersatz für Geschäftsreise zu Beweisort (VV 7003 ff.), Post- und Telekommunikationspauschale (VV 7002).

Infolge seines Verschuldens verliert der erste Anwalt die Verfahrensgebühr (VV 3100), Terminsgebühr (VV 3104) und Kostenpauschale[32] (VV 7002), weil diese Gebühren doppelt angefallen sind und ohne Anwaltswechsel nur einmal hätten anfallen können. Erhalten bleibt der Anspruch auf Auslagenersatz für die Reisekosten (VV 7003 ff.) für den ersten Beweistermin. Der Anspruch auf Auslagenersatz ist zwar doppelt angefallen, hätte aber auch Bestand, wenn es bei der ersten Beiordnung geblieben wäre, da er für jede Geschäftsreise gesondert entsteht. Insoweit hat der Anwaltswechsel keine Mehrkosten verursacht.

[30] OLG Jena JurBüro 2006, 366; LG Zwickau 4.5.2009 – 2 Qs 82/09, StRR 2009, 242; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 54 Rn 26; Riedel/Sußbauer/Kremer, RVG, § 54 Rn 9.
[31] Burhoff/Volpert, RVG, B § 54 Rn 32.
[32] OLG Hamburg Rpfleger 1977, 420.

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