Rz. 59

Die Feststellung der Leistungsfähigkeit ist zu treffen, soweit der Beschuldigte in der Lage ist, die Wahlanwaltsgebühren zu zahlen, ohne dass damit eine Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts verbunden ist. Zu prüfen sind danach primär die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten. Ihm müssen nach Zahlung der Wahlverteidigergebühren genügend Mittel verbleiben, um seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familie sicherzustellen. Insoweit wird man sich an den Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c ff. ZPO orientieren können.[42] Die Vermögensverhältnisse sind nur mittelbar zu berücksichtigen, nämlich insoweit, als das Vermögen zur Deckung des Unterhalts herangezogen werden kann. Hier wird man auf die Regelungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgreifen können.[43] Soweit danach Vermögen nicht eingesetzt werden muss, muss sich auch der Beschuldigte nicht darauf verweisen lassen. Das LG Mainz[44] geht davon aus, dass eine Feststellung nach Abs. 2 S. 1, 2. Alt. nicht in Betracht komme, wenn dem Beschuldigten nicht der doppelte Sozialhilfesatz verbleibe. Zu beachten ist, dass eine Leistungsfähigkeit des Beschuldigten bereits dann gegeben ist, wenn er Raten zahlen kann, ohne den eigenen Lebensunterhalt oder den seiner Familie zu gefährden (Abs. 2 S. 1).

 

Rz. 60

Zu berücksichtigen ist insoweit auch, inwieweit realisierbare Ansprüche gegen erstattungspflichtige Dritte gegeben sind.[45]

 

Beispiel: Die Berufung des Nebenklägers wird kostenpflichtig verworfen.

Abs. 2 S. 1, 1. Alt. greift nicht, da diese Regelung nur für einen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse gilt (siehe Rdn 27). Soweit der Nebenkläger zahlungsfähig ist, ist allerdings nach Abs. 2 S. 1, 2. Alt. die Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens festzustellen, selbst wenn der Beschuldigte im Übrigen nicht leistungsfähig ist. Der Beschuldigte kann die Zahlung "durch Beitreibung von der Gegenseite"[46] zahlen.

 

Rz. 61

Auch sonstige Ansprüche gegen Dritte sind zu beachten, etwa nach § 1360a Abs. 4 BGB gegen den Ehegatten[47] oder Ansprüche der Kinder gegen ihre Eltern nach § 1610 BGB.[48]

 

Rz. 62

Ferner ist zu berücksichtigen, wenn dem Beschuldigten Ansprüche nach dem StrEG erwachsen sind.[49]

 

Rz. 63

Nach Hansens[50] sollen auch Ansprüche gegen den Rechtsschutzversicherer in Betracht kommen. Ein solcher Fall dürfte allerdings kaum vorkommen. In Fällen notwendiger Verteidigung wird i.d.R. nach den ARB kein Versicherungsschutz bestehen. Abgesehen davon ist fraglich, ob der Versicherer auch die Kosten eines Pflichtverteidigers zu übernehmen hat oder nur die eines gewählten Verteidigers.

 

Rz. 64

Zu berücksichtigen ist ferner, wenn der Beschuldigte keiner Erwerbstätigkeit nachgeht und sich auch nicht um Arbeit bemüht. Hier kann bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit – ähnlich wie im Unterhaltsrecht – ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden.[51]

[42] Hansens, BRAGO, § 100 Rn 13.
[43] OLG Celle NdsRpfl 1982, 224; Hansens, BRAGO, § 100 Rn 13.
[44] MDR 1981, 428.
[45] Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn 43; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 52 Rn 17.
[46] Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn 43; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 52 Rn 17.
[47] Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn 43; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 52 Rn 17.
[48] Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn 43; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 52 Rn 17; a.A. OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 248.
[49] LG Hamburg AnwBl 1985, 594; Hansens, BRAGO, § 100 Rn 13.
[50] BRAGO, § 100 Rn 13.
[51] LG Kiel AnwBl 1971, 25; Hansens, BRAGO, § 100 Rn 13.

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