Rz. 46

Liegen die vorgenannten Voraussetzungen (vgl. Rdn 7 bis 37) vor, so ist die von der Staatskasse erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln würde.

 

Rz. 47

Die Aufrechnung ist nicht ohne weiteres insgesamt unwirksam. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, in welcher Höhe eine Beeinträchtigung vorliegt. Nur insoweit ist die Aufrechnung unwirksam. Soweit dem Anwalt also nur noch eine Restforderung gegen den Auftraggeber zusteht, ist die Aufrechnung also nur in diesem Umfang unwirksam.

 

Beispiel: Das Verteidigerhonorar beläuft sich auf 2.000 EUR. Hierauf hat der Verteidiger bereits Vorschüsse in Höhe von 1.500 EUR erhalten. Die Geldstrafe beläuft sich auf 1.000 EUR, ebenso der Erstattungsanspruch des Auftraggebers.

Eine von der Staatskasse erklärte Aufrechnung wäre daher nur in Höhe von 500 EUR unwirksam, da nur noch insoweit ein offener Vergütungsanspruch des Anwalts besteht. In Höhe der restlichen 500 EUR wäre die Aufrechnung dagegen wirksam.

 

Rz. 48

Liegt die offene Forderung oder Restforderung des Anwalts über dem Erstattungsanspruch, so ist grundsätzlich die Aufrechnung in voller Höhe unwirksam. Unstrittig ist dies, wenn es sich bei der restlichen Forderung des Anwalts um die gesetzliche Vergütung handelt. Soweit es sich um eine vereinbarte Vergütung handelt, ist die Rechtslage umstritten.[32]

 

Beispiel: Das vereinbarte Honorar beläuft sich auf 5.000 EUR; die gesetzliche Vergütung auf 2.000 EUR und der Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse auf 1.500 EUR. Der Auftraggeber hatte einen Vorschuss in Höhe von 3.000 EUR gezahlt. Nach Abschluss des Verfahrens rechnet die Staatskasse mit einer Geldstrafe in Höhe von 2.000 EUR gegen den Erstattungsanspruch auf.

 

Rz. 49

Nach einer Auffassung[33] greift § 43 nicht, da eine Vorschusszahlung auf die in dem vereinbarten Honorar enthaltene gesetzliche Vergütung zu verrechnen sei und somit der Erstattungsanspruch nach §§ 464b, 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO durch eine Aufrechnung insoweit nicht beeinträchtigt würde. Diese Auffassung ist jedoch willkürlich und daher nicht haltbar. Zu differenzieren ist vielmehr danach, ob mit der Vorschusszahlung eine Tilgungsbestimmung getroffen worden ist oder nicht.

 

Rz. 50

Nur dann, wenn der Auftraggeber bei Zahlung erklärt, dass sein Vorschuss auf denjenigen Teil des vereinbarten Honorars gezahlt werde, der der gesetzlichen Vergütung entspreche, ist der vorgenannten Auffassung Recht zu geben (§ 366 Abs. 1 BGB); § 43 ist nicht mehr anwendbar.
 

Beispiel: Im vorgenannten Beispiel ist der Vorschuss vom Rechtsschutzversicherer gezahlt worden.

Da dieser nur in Höhe der gesetzlichen Gebühren eintrittspflichtig ist (§ 2 Abs. 1a ARB 1975 = § 5 Abs. 1a ARB 1994/2000), zahlt er also auch nur hierauf. Gleiches würde gelten, wenn der Mandant erklärt, dass er zunächst einmal die Honorarforderung des Verteidigers in Höhe der gesetzlichen Gebühren ausgleiche und das vereinbarte Honorar zu einem späteren Zeitpunkt.

Gibt der Auftraggeber jedoch eine andere Tilgungsbestimmung, so ist der Vorschuss auf das die gesetzliche Vergütung überschießende Honorar zu verrechnen, so dass die Aufrechnung nach § 43 unwirksam ist.
 

Beispiel: Der Auftraggeber zahlt zunächst die 3.000 EUR mit der Bestimmung, dass dieser Betrag auf das die gesetzliche Vergütung übersteigende vereinbarte Honorar verrechnet werden solle; mit der Restzahlung wolle er abwarten, bis das Verfahren abgeschlossen sei, da der Anwalt gegebenenfalls sich aus dem Erstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse befriedigen könne.

In diesem Fall greift der Schutz des § 43, da kraft der ausdrücklichen Tilgungsbestimmung die gesetzliche Vergütung offen bleibt.

Gibt der Auftraggeber keine Erklärung ab, wie seine Vorschuss- oder Teilzahlungen zu verrechnen sein sollen, dann kann entgegen der o.g. Ansicht nicht ohne weiteres einfach auf den Anteil verrechnet werden, der den gesetzlichen Gebühren entspricht. Dies wäre willkürlich. Insoweit gilt vielmehr § 366 Abs. 2 BGB. Die Zahlung erfolgt vielmehr auf denjenigen Teil der Honorarforderung, der die geringere Sicherheit bietet. Das wiederum aber ist derjenige Betrag, der die gesetzlichen Gebühren überschreitet, da dieser nicht nach § 43 gesichert ist.[34]
 

Beispiel: Der Auftraggeber zahlt zunächst die 3.000 EUR ohne eine Bestimmung.

Mangels einer anderweitigen Tilgungsbestimmung ist gemäß § 366 Abs. 2 BGB die Zahlung zunächst auf den die gesetzliche Vergütung übersteigenden vereinbarten Honorarbetrag zu verrechnen. Die Forderung in Höhe der gesetzlichen Vergütung bleibt in voller Höhe von 2.000 EUR bestehen, so dass eine Aufrechnung der Staatskasse also zum Nachteil des Anwalts gereichen würde und daher gemäß § 43 unwirksam ist.

[32] Siehe ausführlich auch Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn 29 m. Bsp.
[33] KG JurBüro 1992, 99; Hansens, StV 1991, 44.
[34] Ausführlich Schmidt in Anm. zu KostRsp. BRAGO § 96a Nr. 14; Chemnitz in Anm. zu OLG München AnwBl 1979, 71; ebenso Schumann/Geißinger, § 96a Rn 1.

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