Rz. 92

Vor der ZPO-Reform 2002 gab es gegen an sich unanfechtbare Beschlüsse die Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit. Nach höchstrichterlicher Formulierung[53] setzte sie voraus, dass der angefochtene Beschluss "jeder gesetzlichen Grundlage entbehrte und dem Gesetz inhaltlich fremd war, dass er also mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar war." Für Gehörsverletzungen wurden diese Voraussetzungen verneint.

 

Rz. 93

Nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung[54] ist die Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit durch die seit 2002 geltende Neufassung des Beschwerderechts beseitigt worden. Stattdessen gibt es die Möglichkeit der Erhebung einer Gegenvorstellung. Sie ist entsprechend § 12a Abs. 2 innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen, beginnend mit der Zustellung des Beschlusses. Ist die Gegenvorstellung begründet, dann entfällt die Bindung des Beschlussgerichts an seine eigene Entscheidung. Das Gericht wird zur Selbstkorrektur berechtigt und verpflichtet.

 

Rz. 94

Hervorzuheben ist, dass diese Gegenvorstellung – anders als die frühere Ausnahmebeschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit – für die Verletzung aller Verfahrensgrundrechte gilt, mit Ausnahme der Gehörsverletzungen (Art. 103 Abs. 1 GG); in diesen Fällen gilt § 12a.

 

Rz. 95

Unabhängig davon gibt es nach wie vor die Untätigkeitsbeschwerde. Sie ist zulässig, wenn ein Gericht nicht tätig wird, obwohl schon während eines unvertretbar langen Zeitraums Entscheidungsreife besteht.[55]

[53] Z.B. BGH 30.1.1986 – X ZR 70/84, NJW-RR 1986, 738; BGH 22.7.1997 – XI ZB 15/97, NJW-RR 1998, 63.
[55] Siehe E. Schneider, Praxis der neuen ZPO, Rn 1098 ff. Thomas/Putzo/Reichold, § 567 Rn 10; OLG Karlsruhe OLG-Report 2004, 32, 33.

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