Rz. 1

Seit dem 1.1.2005 gilt das Anhörungsrügengesetz. Wesentlicher Bestandteil des Gesetzes ist die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Anhörungsrüge (bisher: "Gehörsrüge") nach § 321a ZPO innerhalb des Zivilverfahrens und die Einführung der Anhörungsrüge als außerordentlichem Rechtsbehelf in anderen Verfahrensordnungen. So wurde auch mit § 12a eine entsprechende Vorschrift für die die Rechtsanwaltsvergütung betreffenden RVG-Verfahren eingeführt. Hintergrund des Anhörungsrügengesetzes ist eine Entscheidung des BVerfG[1] vom 30.4.2003, wonach es gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG verstoße, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch fordere eine zumindest einmalige gerichtliche Kontrolle für die Einhaltung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.[2]

 

Rz. 2

Die Anhörungsrüge ist ein eigenständiger, wiedereinsetzungs- und wiederaufnahmeähnlich ausgestalteter Rechtsbehelf zur Geltendmachung von Gehörsverletzungen gegenüber dem Ausgangsgericht.[3] Als außerordentlicher Rechtsbehelf ist die Anhörungsrüge typisiert mit dem Ziel einer weitest gehenden Vereinheitlichung.[4] Das ermöglicht dem Rechtsanwender, bei Zweifelsfällen hilfsweise auf die Praxis in anderen Verfahrensordnungen zugreifen zu können. Insbesondere zu § 321a ZPO bestehen eine umfangreiche Literatur, Rechtsprechung und Kommentierung.[5]

 

Rz. 3

Der Gesetzgeber hat nur die spezielle Fallgestaltung der entscheidungserheblichen Verletzung rechtlichen Gehörs als regelungsbedürftig angesehen.[6] Damit ist der Problembereich aber nur teilweise kodifiziert. Offen und umstritten bleibt, wie zu verfahren ist, wenn unanfechtbare Entscheidungen gegen andere Verfahrensgrundrechte verstoßen, willkürlich oder sonst wie gravierend falsch sind, ohne dass mit diesen Verstößen gleichzeitig eine Gehörsverletzung verbunden ist (siehe Rdn 53 ff.).

[2] BVerfG NJW 2003, 1924, 1926 f.
[3] BT-Drucks 15/3706, S. 13 f.
[4] Im Bereich der Kostengesetze vgl. auch § 69a GKG, § 61 FamGKG, § 84 GNotKG, § 4a JVEG.
[5] Eingehend und übersichtlich insbes. Zöller/Vollkommer, § 321a ZPO Rn 1 ff.
[6] BT-Drucks 15/3706, S. 14.

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