Leitsatz (amtlich)

Eine Amtspflichtverletzung des Jugendamtes, den nicht sorgeberechtigten Elternteil über den Wechsel des Aufenthaltsortes der Kinder zu unterrichten, vermag keinen Schadensersatzanspruch wegen überzahlten Kindes- und Betreuungsunterhalt zu begründen, da diese Zahlungen nicht in den Schutzzweck der verletzten Norm fallen.

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Urteil vom 15.06.2010; Aktenzeichen 2 O 367/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 03.07.2014; Aktenzeichen III ZR 502/13)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des LG Flensburg vom 15.6.2010 - 2 O 367/08, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der ursprüngliche Kläger (im Folgenden: Kindesvater) ist am 25.8.2012 verstorben. Er wurde von der Klägerin beerbt, die das Verfahren aufgenommen hat (282 GA).

Der Kindesvater hat von dem Beklagten Schadenersatz aufgrund von Unterhaltsleistungen (Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt), die er an seine geschieden Ehefrau erbracht hat, verlangt. Aus der Ehe des Kindesvaters mit Frau A gingen die Kinder B., geb. am ... und C, geb. am ... hervor. Nach Trennung der Eheleute übertrug das Familiengericht Flensburg durch Beschluss vom 27.4.1998 zunächst dem Kindesvater die alleinige elterliche Sorge für beide Kinder. Anlässlich eines Umgangskontaktes gab Frau A. die Kinder am 31.12.1998 nicht wie vereinbart an den Kindesvater zurück, sondern brachte sie stattdessen zu der Familie D., die die Kinder an der örtlichen Schule anmeldete. In der Folgezeit ordnete das Familiengericht Flensburg am 1.2.1999 die Herausgabe der Kinder an den Kindesvater an. Die Herausgabe gelang ihm jedoch nicht; die Familie D. war mit den Kindern zwischenzeitlich untergetaucht. Später wohnten die Kinder wieder bei der Kindesmutter, der auch die elterliche Sorge übertragen wurde. Am 1.10.2001 brachte das Jugendamt des Beklagten die Kinder auf Antrag der Kindesmutter in einer Vollzeitpflegestelle unter und wählte hierbei die Familie D. aus. Der Kläger erfuhr hiervon zunächst nichts. In den Jahren 2000 bis 2006 führten der Kindesvater und die Kindesmutter eine Reihe von Unterhaltsverfahren. Die Zahlungen des Kindesvaters auf die in jenen Unterhaltsverfahren erwirkten Titel zugunsten der Kindesmutter und der Kinder, sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Nachdem dem Kläger mit Schreiben des Beklagten vom 26.2. und 30.3.2004 bekannt gegeben worden war, dass der Beklagte Jugendhilfeleistungen für die Kinder erbringe und er verpflichtet sei, im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit die Kosten der Jugendhilfe zu erstatten, teile das Jugendamt des Kreises Schleswig-Flensburg dem Kläger mit Schreiben vom 13.4.2006 nochmals mit, dass Jugendhilfeleistungen für die beiden Kinder erbracht würden, verknüpft mit der Ergänzung, dass sich beide Kinder ab 1.10.2001 in Vollzeitpflege befinden. Die Kindesmutter hatte in keinem der Verfahren gegenüber dem Kindesvater mitgeteilt, dass zwischenzeitlich ein Wechsel des Aufenthaltsortes der Kinder erfolgt war. Der Kläger erwirkte mit Anerkenntnisurteil vom 30.5.2006 des AG Flensburg eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels dahin, dass er ab Mai 2006 weder zur Zahlung von Kindes- noch von Ehegattenunterhalt verpflichtet war.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat den Zahlungsantrag des Kindesvaters i.H.v. 44.240,02 EUR abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der zuständige Mitarbeiter des Jugendamtes eine Amtspflicht verletzt habe, in dem er den Kindesvater nicht über die Unterbringung der Kinder in einer Pflegefamilie informiert habe. Ein solche Informationspflicht folge bereits aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz sowie aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Soweit ein Kind in Vollzeitpflege gegeben werde, liege hierin ein Eingriff in das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und in das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK. Obwohl die verletzte Amtspflicht drittschützenden Charakter habe, könne der Kindesvater die Zahlung der Unterhaltsbeträge an seine ehemalige Ehefrau nicht als Schaden ersetzt verlangen. Als Vater der Kinder sei er gem. §§ 1601, 1603 BGB zu Unterhaltszahlungen für seine beiden Kinder verpflichtet gewesen. Die Pflicht bestehe unabhängig davon, wo die Kinder ihren Lebensmittelpunkt hätten. Diese Zahlungen hätte er an den Beklagten leisten müssen, da aufgrund der Pflegegeldzahlungen des Kreises die Unterhaltsansprüche der Kinder gem. § 94 Abs. 2 SGB VIII a.F. auf den Kreis Schleswig-Flensburg übergegangen seien. Der Kindesvater habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Beträge, die er als Ehegattenunterhalt an seine frühere Ehefrau gezahlt habe. Die Pflicht, den Vater über den Aufenthaltsort seiner Kinder zu informieren, solle ihn nicht davor schützen, Unterhalt...

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