Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz bei HWS-Verletzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Keine sog. "Harmlosigkeitsgrenze" für das Vorliegen einer unfallbedingten HWS-Verletzung.

2.Zum Beweismaßstab und den Beweismitteln zur Überzeugungsbildung vom Vorliegen einer unfallbedingten HWS-Verletzung.

 

Normenkette

StVG a.F. § 7; BGB §§ 823, 847 a.F.; ZPO § 286 f.

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 6 O 228/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.5.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung der umfassenden zukünftigen Ersatzpflicht der Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 25.9.1998 gegen 16.10 Uhr, wobei die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist.

Die Klägerin befuhr zum Unfallzeitpunkt die Landstraße zwischen A. und B.; ihr entgegen kam ein Linienbus, den der Beklagte zu 2) mit seinem bei der Beklagten zu 1) gegen Haftpflichtschäden versicherten Pkw im Bereich einer Kurve überholte. Die Klägerin musste infolge des Überholvorganges ihr Fahrzeug stark abbremsen, dieses geriet ins Schleudern, drehte sich mehrfach und prallte abschließend mit der vorderen linken Fahrzeugecke gegen den Bus.

Aus einem noch vom AG C., bei dem der Rechtsstreit ursprünglich anhängig war, eingeholten interdisziplinären Sachverständigengutachtens ergibt sich, dass die Geschwindigkeitsänderung des von der Klägerin gefahrenen Pkw infolge des Streifenzusammenstoßes mit dem Bus sich auf (allenfalls) 6 km/h belief, die Belastung infolge des Schleudervorganges auf (maximal) 1,7 g. Dabei ist zweitinstanzlich unbestritten, dass die Klägerin unmittelbar nach dem Unfall verwirrt und kurzfristig überhaupt nicht ansprechbar war.

Die Klägerin behauptet, infolge des Unfalles ein sog. "HWS-Schleudertrauma" erlitten zu haben. Noch am Abend des Unfalltages - es handelte sich um einen Freitag - hätten heftige Kopfschmerzen eingesetzt, am darauffolgenden Dienstag, nachdem montags kein Termin zur Verfügung stand, habe sie sich in die Behandlung des Orthopäden D. begeben, der eine Funktionsstörung der HWS und eine HWS-Distorsion diagnostiziert habe. Auch nachfolgend sei sie seit dem Unfall in ständiger ärztlicher Behandlung und leide seit dem Unfall insb. an ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen, zudem unter Schwindelattacken, während sie vor dem Unfall niemals an Beschwerden im HWS-Bereich gelitten habe.

Die Beklagten haben bestritten - und bestreiten dies weiterhin -, dass die von der Klägerin geklagten Beschwerden durch den Unfall verursacht seien. Die Beklagten beziehen sich dazu insb. auf den medizinischen Teil des interdisziplinären Gutachtens Dipl.-Ing. E./Prof. Dr. F., in dem der Sachverständige Prof. Dr. F. ausgeführt hat, dass es bei den im technischen Teil des Gutachtens festgestellten Belastungen der Halswirbelsäule mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon an einer Verletzungsmöglichkeit fehle, die Beschwerden der Klägerin - deren Vorhandensein als solche der Sachverständige nicht in Zweifel gezogen hat - mangels Verletzungsmöglichkeit nicht auf den Unfall zurückzuführen seien.

Das LG, an das der Rechtsstreit vom AG C. verwiesen worden ist, nachdem die Klägerin ihr Schmerzensgeldbegehren erhöht hatte, hat der auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 EUR, Zahlung materiellen Schadensersatzes i.H.v. 138,51 EUR sowie Feststellung der umfassenden zukünftigen Ersatzpflicht der Beklagten gerichteten Klage mit dem angefochtenen Urteil weitgehend stattgegeben. Unter Verwertung der Beweisergebnisse des AG C. - Vernehmung der Zeugen G. und H. über den Unfallhergang sowie das interdisziplinäre Sachverständigengutachten - und nach weiterer Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen I. und K. und schriftlicher Aussagen der Ärzte D. und Dr. L., sowie Anhörung der Klägerin hat es die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 8.500 EUR an die Klägerin verurteilt, dem materiellen Schadensersatzbegehren und dem Feststellungsbegehren hat es vollen Umfanges stattgegeben.

Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei es, entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F., davon überzeugt, dass die Klägerin bei dem Unfall eine Verletzung der Halswirbelsäule erlitten habe, und die von ihr geklagten Beschwerden Unfallfolgen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend die Klägerin gem. § 141 ZPO persönlich angehört.

Die Beklagten rügen mit der Berufung, das LG habe den für die von der Klägerin behauptete Verletzung der Halswirbelsäule anzulegenden Beweismaßstab verkannt, auch die Beweiswürdigung sei fehlerbehaftet. Jedenfalls sei die ausgeurteilte Höhe des Schmerzensgeldes übersetzt, auch dem...

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