Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsbeweis bei Skiunfall. Mitverschulden. FIS Regeln für Skifahrer und Snowboarder

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit es bei einer gemeinschaftlichen Skifahrt zu einer Kollision der Beteiligten kommt und nicht aufgeklärt werden kann, welcher der Beteiligten vorausgefahren ist, besteht kein Anscheinsbeweis zu Lasten des Gegners des Geschädigten, dass dieser gegen die die Sorgfaltspflichten bestimmenden FIS Regeln für Skifahrer und Snowboarder verstoßen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 823

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Entscheidung vom 28.12.2011; Aktenzeichen 4 O 312/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 28. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug wird auf 131.787,22 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche wegen eines Skiunfalles vom 22. Januar 2009 gegen 9.45 Uhr auf der X-Alp in der Schweiz geltend. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 28. Dezember 2011 Bezug genommen (§ 540 ZPO). Der Kläger hat in erster Instanz Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 60.000,00 EUR und Ersatz materieller Schäden in Höhe von 183.544,00 EUR geltend gemacht sowie die Feststellung begehrt, dass der Beklagte ihm sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis zu ersetzen hat, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt:

Der Kläger sei für seine Behauptung, der Beklagte habe fahrlässig und damit schuldhaft gegen die FIS -Verhaltensregeln für Skifahrer und Snowboarder verstoßen, beweisfällig geblieben. Insbesondere sei nicht bewiesen, dass der Beklagte ihn als von hinten kommenden Skifahrer gefährdet und damit gegen Ziffer 3 der FIS- Verhaltensregeln verstoßen habe. Die Zeugin St. habe den Vortrag des Klägers, der Beklagte habe ihr gegenüber zugestanden, hinter dem Kläger gefahren zu sein und diesen von hinten erfasst zu haben, nicht bestätigen können. Nach Aussage der Zeugin habe der Beklagte von Anfang an bestritten, von hinten auf den Kläger aufgefahren zu sein. Der Beklagte habe gesagt, er sei nicht hinter dem Kläger gefahren, sie seien seitlich versetzt nebeneinander hergefahren. Das Kollisionsprotokoll des Zeugen I. gebe letztlich auch nur die Sichtweisen der Parteien wieder und besage nichts dazu, wer den Hang als erster befahren habe und wer hinterher gefahren sei. Die Sachverhaltsdarstellung des Beklagten sei auch nicht in dem Maße unterschiedlich oder widersprüchlich, dass das Gericht gem. § 286 ZPO davon überzeugt wäre, dass der Vortrag des Klägers, er sei vorausgefahren, richtig sei. Wodurch es letztlich zur Beschädigung der Jacke gekommen sei, lasse sich nicht mehr feststellen. Die Beschädigung könne Folge des Sturzes und nicht unbedingt der direkten Kollision sein. Auch die Verletzung des Klägers lasse nicht den Schluss auf den Unfallhergang zu. Der Kläger habe selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der rechte Ski nicht aufgegangen sei und es dadurch zu den schweren Verletzungen gekommen sei. Die Ursache des Sturzes lasse sich nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Beide Sachverhaltsvarianten der Beteiligten seien denkbar. Der Kläger habe zunächst ausführen lassen, dass der Hang mit Kurzschwüngen schneller absolviert werden könne, als im Falle, dass große Bögen gefahren würden. Dies spreche dafür, dass der Beklagte in großen Bögen vorausgefahren sei und der Kläger ihn mit Kurzschwüngen einholte und es zur Kollision gekommen sei. Weiterhin komme es auf die Geschwindigkeiten der Skifahrer an, die sich ebenfalls nicht mehr feststellen ließen. Insofern könne auch kein Sachverständigengutachten eingeholt werden, da es an unstreitigen Anknüpfungstatsachen fehle. Schließlich hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass auch eine Haftungsquote nicht in Betracht komme. Die Entscheidung des Landgerichts Bonn vom 21.03.2005 sei nicht einschlägig.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Berufung des Klägers, der sich nunmehr ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lässt. Er führt zur Begründung seiner Berufung unter anderem aus:

Er bleibe bei seiner Sachverhaltsdarstellung. Der Kläger meint, für seine Unfallschilderung spreche nicht nur der Umstand, dass seine Jacke am Rücken komplett aufgerissen gewesen sei. Vielmehr belege auch die mit Schriftsatz vom 07.07.2010 dargestellte fachärztliche Stellungnahme des Oberarztes Dr. M., dass die überaus schwerwiegenden Unfallfolgen nur dann nachvollziehbar seien, wenn auf ihn eine von außen einwirkende Biegekraft eingewirkt habe, also d...

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