Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung für Überschwemmungsschäden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Dimensionierung und sonstige Gestaltung eines gemeindlichen Entwässerungssystems kommt es entscheidend auf die im konkreten Fall gegebenen tatsächlichen Verhältnisse an.

2. Technische Vorgaben und Richtlinien geben nur einen allgemeinen Anhalt für die gebotenen Maßnahmen.

 

Normenkette

BGB § 839; LWG Schl.-H. § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 17 O 78/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 19.9.2005 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des LG Kiel geändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 9.805,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.805,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von der Beklagten Schadensersatz wegen der infolge einer Überschwemmung am 18.7.2002 auf ihrem Grundstück eingetretenen Schäden. Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der etwaigen Amtspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden fehle. Gegen diese Klageabweisung richtet sich die von den Klägern form- und fristgerecht eingelegte (Bl. 181, 194, d.A.) und begründete (Bl. 197, 204, 205 ff. d.A.) Berufung, mit der sie die Verurteilung gemäß dem erstinstanzlichen Antrag begehren.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 9.805,85 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 172 ff. d.A.) und die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 14.9.2007 und das Protokoll der Sitzung vom 29.1.2008 (Bl. 416-417 d.A.) Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 9.805,85 EUR.

Die Beklagte hat ihre Amtspflichten bei der Sammlung und Beseitigung der Abwässer einschließlich des Niederschlagswassers in ihrem Zuständigkeitsbereich verletzt. Gemäß § 31 Abs. 1 LWG ist die Abwasserbeseitigung in Schleswig-Holstein den Gemeinden im Rahmen der Selbstverwaltung übertragen worden. Die Sammlung und Beseitigung der Abwässer einschließlich des Niederschlagswassers gem. § 30 Abs. 1 LWG obliegt daher der Gemeinde als hoheitliche Aufgabe. Für Fehler bei der Planung, der Herstellung und dem Betrieb einer solchen Anlage, die nicht nur dem allgemeinen Interesse dient, sondern auch die Anlieger und Nutzer im Rahmen des Zumutbaren vor Überschwemmungsschäden schützen soll, hat die Gemeinde nach Amtshaftungsgrundsätzen einzustehen (BGH NJW 1998, 1307; NVwZ 1999, 689, 690). In den Schutzbereich dieser Amtspflicht fallen auch solche Schäden, die darauf beruhen, dass Regenwasser infolge einer fehlerhaften Planung, Dimensionierung oder Wartung der Regenwasserkanalisation gar nicht erst in diese gelangt, sondern ungefasst in anliegende Gebäude dringt oder auf anliegende Grundstücke fließt (BGH VersR 2002, 444). Aus der umfassenden Aufgabenzuweisung in § 31 Abs. 1 LWG i.V.m. § 30 Abs. 1 LWG ergibt sich dementsprechend die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung des Niederschlagswassers in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Die Verpflichtung der Beklagten zur Unterhaltung und Erneuerung des hier in Rede stehenden Grenzgrabens ergibt sich aus der Vereinbarung vom 01./05./9.7.1994 zwischen dem Land Schleswig-Holstein, der Gemeinde S und der Beklagten. Gemäß § 1 dieser Vereinbarung hat die Beklagte die Verpflichtung zur Unterhaltung und Erneuerung u.a. des Gewässers mit Anlagen von Baustation 0 + 557 bis 0 + 919 übernommen. In diesem Abschnitt liegt der hier streitige Bereich des Grenzgrabens, der unmittelbar an dem Grundstück der Kläger entlang führt. Diese Erneuerungs- und Unterhaltungspflicht ergibt sich darüber hinaus auch aufgrund des Umstands, dass die Beklagte die Sachherrschaft über den Grenzgraben tatsächlich ausübt und die Unterhaltungspflicht durch den Einsatz eigenen Personals und eigener Sachmittel erfüllt.

Zwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest, dass - wie die Kläger behaupten - das Abwasserableitungssystem der Beklagten fehlerhaft konstruiert und unterhalten worden ist, insbesondere das Abflussrohr im verrohrten Teil des Grenzgrabens zu gering dimensioniert und keine ausreichende Absicherung gegen Verstopfung des Krautfangrechen g...

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