Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 8 O 95/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.02.2019; Aktenzeichen VIII ZR 7/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16.06.2017, Az. 8 O 95/17, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.621,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.506,49 EUR seit dem 09.12.2015 und aus 4.114,92 EUR seit dem 09.01.2017 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erstattung von Umsatzsteuer, die für individuell für einen Versicherungsnehmer der Klägerin in der Krankenhausapotheke der Beklagten hergestellte Arzneimittel gezahlt wurde.

Die Klägerin ist eine private Krankenversicherung, die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Der Patient ... Versicherungsnehmer der Klägerin, war in verschiedenen Zeiträumen im Jahr 2012 und im Jahr 2013 im Krankenhaus der Beklagten in ambulanter ärztlicher Behandlung. Hierbei wurden ihm individuell für ihn von der Krankenhausapotheke der Beklagten hergestellte Arzneimittel verabreicht.

Für die Medikamente zahlte der Versicherungsnehmer der Klägerin 21.961,68 EUR (2012) und 25.772,38 EUR (2013). Die Beträge setzen sich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Einzelbeträgen zusammen, die jeweils auf Rezeptformularen unter der Überschrift "Gesamt-Brutto" aufgedruckt waren. Zu Ausgestaltung der Rezeptformulare und Inhalt im Einzelnen wird auf die Anlagen K1 bis K3 und K 6 verwiesen. Die Beträge wurden vollständig von der Klägerin an ihren Versicherungsnehmer erstattet.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.06.2017 abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Klägerin hat gegen das Urteil des Landgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Hinsichtlich der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 21.09.2017 (Bl. 214 ff. d. A.) Bezug genommen.

Sie beantragt in der Berufungsinstanz,

das Urteil des Landgerichts Kiel vom 16.06.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.621,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.506,49 EUR seit dem 09.12.2015 und aus 4.114,92 EUR seit dem 09.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 01.11.2017 und vom 07.12.2017 Bezug genommen.

II. Die Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Umsatzsteuer aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB i.V.m. §§ 194 Abs. 2, 86 Abs. 1 VVG.

1. Die Beklagte hat durch die in den Rechnungsbeträgen für das Jahr 2012 in Höhe 21.961,68 EUR enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von 3.506,49 EUR und durch die in den Rechnungsbeträgen für 2013 in Höhe von 25.772,38 EUR enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von 4.114, 92 EUR, die der Versicherungsnehmer der Klägerin an die Beklagte gezahlt und die Klägerin ihm erstattet hat, etwas ohne Rechtsgrund erlangt.

Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht daraus, dass die Umsatzsteuer in dem von der Beklagten in Rechnung gestellten und vom Versicherungsnehmer der Klägerin gezahlten Preis für die Arzneimittel enthalten ist, denn die Auslegung der zum Preis abgegebenen Erklärungen ergibt, dass sich die Beklagte und der Versicherungsnehmer der Klägerin darauf geeinigt haben, dass der von der Beklagten kalkulierte Nettopreis zuzüglich der nach den gesetzlichen Vorgaben zu fordernden Umsatzsteuer von 19 % zu zahlen ist, tatsächlich aber keine Umsatzsteuer angefallen ist.

a) Nach § 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen (BGH, Urteil vom 18.05.1998 - XI ZR 56/94, NJW 1995, 1212) und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Wille der Parteien zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09, NJW 2010, 2422). Sodann sind der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2007 - V ZR 208/06, NJW-RR 2008, 683).

Die Beklagte hat für die Arzneimittel - wie sich aus den vorgelegten Unterlagen (Anlagen K1 bis K3, Bl. 12-53 und K6, Bl. 85-118) ergibt, einen "Gesamt-Brutto"-Preis bestimmt. Der Wortlaut der Erklärung ist insoweit eindeutig, als ...

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