Leitsatz (amtlich)

Sittenwidrige Schädigung des Käufers eines mit einem EA 189-Moitor ausgestatteten Skoda bei Kauf im Dezember 2016

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 27 Abs. 1; EGV 715/2007 Art. 3 Nr. 10; StGB § 263 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.09.2019 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil die Motorsteuerung ihres PKW manipulierend auf den Stickoxidausstoß einwirkte.

Die Klägerin kaufte am 02.12.2016 einen gebrauchten Škoda Octavia 1,6 TDI von Herrn A zu einem Preis von 27.000,01 EUR. Das Fahrzeug war am 11.04.2012 erstmals zugelassen worden und wies zurzeit des Kaufes einen Kilometerstand von 59.850 km auf.

Der PKW ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Motor EA189 ausgerüstet. Die Motorsteuerung erkannte, wenn sich der PKW auf einem Abgas-Prüfstand befand. Der Motor lief dann in einem Modus 1, wobei es zu einer erhöhten Abgasrückführung und dadurch zu einem geringeren Stickoxidausstoß kam. Im normalen Straßenverkehr lief er im Modus 0 mit einer geringeren Abgasrückführung und einem dadurch höheren Stickoxidausstoß.

Am 22.09.2015 räumte die Beklagten in einer Ad-hoc-Mitteilung die Manipulation von Motoren in rund 11 Mio. Fahrzeugen weltweit ein. Sie erklärte u. a., dass auch andere Dieselfahrzeuge des Volkswagenkonzerns betroffen seien. Über das Thema wurde in der Folgezeit in den Medien umfangreich berichtet. Die Beklagte und ihre Tochterunternehmen richteten Internetseiten ein, auf denen jedermann konkrete Fahrzeuge auf die Betroffenheit prüfen kann.

Die zuständige Zulassungsbehörde verpflichtete die Herstellerin des Fahrzeugs zu einer Änderung der Motorsteuerung und ordnete einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. Sie gab das Update für den Škoda Octavia 1,6 TDI frei. Das Update führt dazu, dass der Motor nur noch in einem modifizierten Modus 1 läuft. Die Motorsteuerung enthält nunmehr ein sog. Thermofenster. Die Abgasrückführung erfolgt nur bei Temperaturen zwischen 10 °C und 32 °C und bis zu einer Höhe von 1.000 m. Dem Kraftfahrtbundesamt ist das bekannt.

Für den Fall, dass das Update nicht aufgespielt wird, droht die Stilllegung des Fahrzeugs. Die Klägerin ließ am 22.02.2019 das Update aufspielen, nachdem der Kreis S. ihr die Untersagung des Betriebs des Fahrzeugs angedroht hatte.

Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 26.11.2018 (Anlage K 8, Bl. 31 d. A.) den Ersatz des Kaufpreises unter Rückgabe des Fahrzeugs.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe nicht gewusst, dass in dem Fahrzeug der manipulierte Motor eingebaut gewesen sei. Sie hätte bei Kenntnis der Manipulation der Motorsteuerung das Fahrzeug nicht gekauft.

Bei dem Update sei eine illegale Aufwärmfunktion aufgespielt worden, die nach dem Start des Fahrzeugs die Abgasreinigung zunächst erhöhe, nach einem bestimmten Kraftstoffverbrauch aber dauerhaft reduziere.

Der Vorstand der Beklagten habe von der Abschalteinrichtung und dem für die Käufer entstehenden Schaden gewusst. Es handele sich um eine Entscheidung von enormer wirtschaftlicher Reichweite mit einem großen Risiko, die nicht auf einer unteren Hierarchiestufe getroffen werde. Die Motorsteuerung sei zunächst bei Audi eingesetzt worden. Der Vorstand Dr. B und der Leiter der Antriebstechnik C seien dann zu der Beklagten gewechselt. Kenntnis hätten auch Herr D sowie Herr E, ein leitender Mitarbeiter im Qualitätsmanagement, gehabt.

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 11.116,87 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des PKW, die Feststellung des Annahmeverzuges und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat behauptet, die Untersuchung zur Entwicklung des manipulierten Motors dauere noch an. Nach jetzigem Stand sei die Entscheidung von Mitarbeitern nachgeordneter Ebenen getroffen worden. Es gebe keine Erkenntnisse über die Mitwirkung, einen Auftrag oder die Billigung durch Mitglieder des Vorstands.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch aus § 826 BGB zu. Zurzeit des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Klägerin habe keine besondere Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten vorgelegen. Durch die Ad-hoc-Mitteilung und die Internetseite habe die Beklagte über die Betroffenheit von Fahrzeugen anderer...

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