Entscheidungsstichwort (Thema)

Produkthaftung wegen konstruktiv unterlassenen Einbaus eines Fehlerstromschalters in Geschirrspülmaschine

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer in den Verkehr gebrachten Geschirrspülmaschine besteht die berechtigte Erwartungshaltung des Benutzers eines derartigen Geräts darin, dass Defekte des Geräts nicht infolge des Zusammenwirkens von in der Maschine befindlichem Wasser und stromführenden Bauteilen zu erheblichen Gefahren für Gesundheit oder Eigentum führen. Dies gilt unabhängig davon, ob technische Normen insoweit einschlägige Vorgaben enthalten oder nicht.

2. Bestehen bei einer infolge einer Chloridansammlung aufgetretenen Durchkorrosion eines Heizelements eines Geschirrsspülers und infolge anschließendem Durchlag bedingten Ausfalls aller Thermostatschalter keine weiteren Vorkehrungen gegen das unkontrollierte weiterer Aufheizen des Geräts, liegt ein Konstruktionsfehler vor. Eine sachgemäße Konstruktion hätte etwa den - wirtschaftlich bei Serienfertigung vertretbaren - Einbau eines Fehlerstromschalters vorsehen können.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; ProdHaftG §§ 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 12.01.2007; Aktenzeichen 12 O 153/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Lübeck vom 12.1.2007 (Az. 12 O 153/06) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.560,35 EUR nebst Zinsen hierauf i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼, die Beklagte zu ¾ mit Ausnahme der Kosten für den Sachverständigen und der Kosten des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens 12 OH 3/02; diese trägt die Beklagte allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund eines Defekts einer von der Beklagten hergestellten und im Eigentum der Klägerin stehenden Geschirrspülmaschine.

Die Klägerin erwarb im November 1995 eine von der Beklagten hergestellte Geschirrspülmaschine des Modells S. zum Preis von 1.728 DM, die sie als Teil einer Einbauküche im Februar 1996 einbauen ließ und in Betrieb nahm. Während des Betriebs am 19.8.2001 entstand durch eine Chloridansammlung im Manschettenbereich des Heizstabs mit der Folge einer Korrosion und nachfolgendem Ausfall beider Thermostatschalter eine erhebliche Dampf- und Hitzeentwicklung, die ihrerseits zu einer weiteren Zerstörung des Geräts und einer Beschädigung von Geschirr sowie Teilen der Kücheneinrichtung führte.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage einen - bestrittenen - Schaden geltend gemacht

  • für die Reparatur der Kücheneinrichtung i.H.v. 4.426 EUR (gem. Kostenvoranschlag der Fa. B., Anlage K1, Bl. 8 ff. d.A.),
  • für beschädigte Geschirr- und Küchengegenstände gemäß einer Aufstellung (Anlage K 2 zur Klageschrift) einen Betrag von 686,70 EUR,
  • für die zerstörte Geschirrspülmaschine selbst einen Betrag von 883,51 EUR sowie
  • eine Kostenpauschale von 20 EUR.

Die Beklagte war zu einer Regulierung nicht bereit.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe bei der Konstruktion der Geschirrspülmaschine auf Sicherungsmaßnahmen verzichtet, die den Schadenseintritt hätten verhindern können. Sie meint, insoweit liege ein Konstruktionsfehler vor. Zumindest habe die Beklagte im Rahmen ihrer Instruktionsverpflichtung auf die Möglichkeit des Schadenseintritts hinweisen müssen.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.016,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.1.2001 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Dem Rechtsstreit ist das selbständige Beweisverfahren unter dem Az. 12 OH 3/02 vorangegangen. Im Rahmen jenes Verfahrens haben zunächst der Sachverständige L., sodann der Sachverständige Dr. B. ein Gutachten erstattet. Zum Inhalt wird Bezug genommen auf die schriftlichen Gutachten vom 14.10.2002 (L., Akte 12 OH 3/02, Bl. 67 ff. d.A.) und 23.3.2005 (Dr. B., Akte 12 OH 3/02, Bl. 218 ff. d.A.) nebst Gutachtenergänzung vom 11.10.2005 (a.a.O., Bl. 311 ff. d.A.).

Das LG, auf dessen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu:

Ein Anspruch folge insbesondere nicht aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG i.V.m. § 3 Abs. 1 ProdHaftG. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. seien bei der Konstruktion der streitgegenständlichen Geschirrspülmaschine die geltenden technischen Vorschriften beachtet worden. Die Konstruktion des Geräts entspreche hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen dem bis heute geltenden Standard vergleichbarer Geräte. Von einem erkennbaren Sicherheitsmangel, der zu höheren Anforderungen hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen hätte führen können, könne nach dem Gutachten nicht ausgegangen werden. Da mit einer Chloridanreicherung bei normaler und üblicher Nutzung des Geräts grundsätzlich nur kurzzeitig und...

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