Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsbemühungen bei gesteigerter Erwerbsverpflichtung eines vierzigjährigen gelernten Tischlers

 

Leitsatz (amtlich)

Ein vierzigjähriger gelernter Tischler, der aus selbständiger Tätigkeit (Hausmeisterservice) nicht den Mindestunterhalt für die Kinder aus seiner geschiedenen Ehe erwirtschaften kann, ist gehalten, sich nachhaltig um eine besser bezahlte Tätigkeit zu bemühen, oder aber unter Beibehaltung seiner derzeit ausgeübten selbständigen Tätigkeit die "Unterdeckung" aus dieser Tätigkeit durch eine Nebentätigkeit auf Mini-Job-Basis auszugleichen. Diese Bemühungen sind im Radius von jedenfalls 100 km um seinen jetzigen Wohnort in der Nähe der Kinder zumutbar, weil den 12 - bzw. 14-jährigen Kindern zumutbar ist, zu den Umgangskontakten in diesem Bereich selber anzureisen.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Eutin (Urteil vom 17.11.2009)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG Eutin vom 17.11.2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 700 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen den Beklagten auf Zahlung höheren Kindesunterhalts in Anspruch.

Der Beklagte ist der Vater des jetzt 14-jährigen Klägers zu 1) (A, geb. am ... März 1996) und des noch 12-jährigen Klägers zu 2) (B, geb. am ... Juli 1997). Die Kinder leben im Haushalt der Mutter; die Ehe der Eltern ist rechtskräftig geschieden.

Der Beklagte verpflichtete sich gem. gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 5.7.2007 (AG Bad Schwartau ...) zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 125 EUR an jeden Kläger.

Der Kläger zu 2) erhielt bis einschließlich Juni 2009 von der Unterhaltsvorschusskasse Zahlungen i.H.v. monatlich 158 EUR.

Der Beklagte machte sich am 1.12.2005, noch in der Ehezeit, mit einem Hausmeisterservice selbständig. Er ist gelernter Tischler, arbeitete jedoch seit Ende der Ausbildung im Ladenbau, als Hausmeister in einem Alten- und Pflegeheim und in anderen verschiedenen Hilfsarbeiterstellen. Vor Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit hatte er als Angestellter 1.400 EUR netto monatlich verdient.

Mit seinem Hausmeisterservice erzielte der Beklagte im Jahre 2006 eine Gewinn i.H.v. 12.618 EUR, in 2007i.H.v. 7.424,22 EUR, in 2008i.H.v. 12.285,30 EUR und in 2009i.H.v. rund 14.000 EUR. Von diesen Gewinnen hatte er die Krankenversicherung zu zahlen.

Die Kläger forderten ihn mit Schreiben vom 10.2.2009 vergeblich zur Zahlung des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle auf.

Diesen Mindestunterhalt haben sie mit ihrer Klage geltend gemacht.

Das Familiengericht hat den Beklagten in Abänderung des am 5.7.2007 vor dem AG Bad Schwartau geschlossenen Vergleiches verurteilt,

a) an den Kläger zu 1) ab 1.2.2009 bis einschließlich 30.6.2009 monatlich Unterhalt i.H.v. 214 EUR zu zahlen und ab 1.7.2009 jeweils monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jedes Monats 194 EUR

b) an den Kläger zu 2) ab 1.2.2009 bis einschließlich 30.6.2009 monatlich weiteren Unterhalt i.H.v. je 16 EUR zu zahlen und ab 1.7.2009 jeweils monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jedes Monats Unterhalt i.H.v. 194 EUR.

Das entspricht einer Quote von 72,51 % des Mindestunterhalts. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung.

Er macht geltend:

  • Das vom Familiengericht fingierte Nettoeinkommen von 1.287,94 als gelernter Tischlergeselle im ersten Gesellenjahr sei unrealistisch. Er habe zwar Tischler gelernt, in diesem Beruf aber nie gearbeitet. Jetzt, mit Anfang 40, sei es ihm auch nicht mehr möglich in den Tischlerberuf zurückzukehren, zudem herrsche an Tischlern kein Mangel auf dem Arbeitsmarkt. Er könne allenfalls 1.214 EUR netto verdienen. Abzüglich des kleinen Selbstbehalts i.H.v. 900 EUR stünden dann 314 EUR für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Davon seien abzuziehen weitere 50 EUR für die ebenfalls fiktiv und pauschal anzusetzenden Fahrtkosten. Im Ergebnis bleibe dann nicht mehr übrig, als bereits tituliert. Im Übrigen tätige er auch Anschaffungen "außer der Reihe" für die Kläger. So habe er einem Sohn gerade ein Handy für 100 EUR und dem anderen einen Laptop für 399 EUR gekauft.
  • Ihm könne auch nicht zugemutet werden, sich bundesweit zu bewerben. Schon eine Bewerbung im Hamburger Raum erschwere die Umgangskontakte mit den Klägern in T..
  • Schließlich sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, zuletzt in dem Beschluss des BVerfG vom 29.10.2009 die Tendenz zu erkennen, die Forderungen an die Leistungsfähigkeit von Unterhaltsschuldnern entsprechend den realen Marktbedingungen zu reduzieren. Auch zur Sicherung des Mindestunterhaltes dürften den Unterhaltsschuldnern nicht unzumutbare Arbeiten auferlegt und nicht erzielbare Einkommen zugerechnet werden.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage i.H.v. 25 EUR monatlich je Kläger abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung des Berufungsklägers zu...

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