Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung der anpassungsfähigen Rechte auf die in § 32 VersAusglG genannten Versorgungen ist mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar.

2. Eine erweiternde Auslegung oder eine entsprechende Anwendung von § 32 VersAusglG dahin, dass - jedenfalls - Anrechte aus öffentlich-rechtlich organisierten Versorgungssystemen wie Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung einer Anpassung nach Rechtskraft unterliegen, ist ausgeschlossen.

 

Normenkette

GG Art. 14 Abs. 1, Art. 100; VersAusglG § 32

 

Tenor

Das Verfahren wird, soweit es die Aussetzung der Kürzung des Anrechts des Antragstellers (Ehemannes) gegenüber der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zum Gegenstand hat, ausgesetzt.

Es soll eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt werden, ob § 32 VersAusglG verfassungswidrig ist.

 

Gründe

1. Das Verfahren hat die Aussetzung von Rentenkürzungen zum Gegenstand, die die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (künftig: VBL) wegen eines zu Lasten des Antragstellers (künftig: Ehemannes) durchgeführten Versorgungsausgleichs vornehmen.

Mit Beschluss vom 9.12.2011 hat das AG - Familiengericht - Lübeck im Verfahren 123 F 347/10 die Scheidung der am 24.5.1972 geschlossenen Ehe des antragstellenden Ehemannes und der Antragsgegnerin (künftig: Ehefrau) ausgesprochen und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es im Wege der internen Teilungen zu Lasten des Anrechts des Ehemannes ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 31,2751 Entgeltpunkten zugunsten der Ehefrau und in umgekehrter Richtung ein solches Anrecht i.H.v. 0,4998 Entgeltpunkten zugunsten des Ehemannes und ferner im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der VBL zugunsten der Ehefrau ein Anrecht i.H.v. 92,4300 Versorgungspunkten nach Maßgabe der Satzung vom 1.1.2011, bezogen auf ein Ehezeitende am 31.12.2010, übertragen hat. Den genannten Versorgungspunkten entspricht eine Monatsrente von 369,73 EUR. Der Verbundbeschluss ist seit dem 31.1.2012 rechtskräftig. - Am selben Tag hat sich der Ehemann im Verbundverfahren zum nachehelichen Unterhalt in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, an die Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung bis zu deren Renteneintritt einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 1.142,30 EUR zu zahlen. Die am 7.1.1948 geborene Ehefrau ist ohne eigenes Einkommen; die gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung sind nicht erfüllt. Der Ehemann bezog bei Vergleichsabschluss - also vor Durchführung des Versorgungsausgleichs - Nettorenten der Deutschen Rentenversicherung Bund von monatlich 1.736,94 EUR und der VBL von monatlich 688,01 EUR.

In diesem Verfahren hat das AG - Familiengericht - Lübeck mit seinem ebenfalls am 9.12.2011 verkündeten Beschluss die Kürzungen der Renten des Ehemannes ab Rechtskraft der Scheidung ausgesetzt, und zwar hinsichtlich der Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe eines vollen Kürzungsbetrages von monatlich 850,68 EUR und hinsichtlich der Rente der VBL i.H.v. monatlich 291,62 EUR - auf diesen Betrag ist die ursprüngliche Entscheidung durch Beschluss vom 25.1.2012 berichtigt worden -, ausgehend von einer vollen Kürzung der VBL-Rente infolge des Versorgungsausgleichs i.H.v. 369,73 EUR. - Gegen letztgenannte Aussetzung wendet sich die VBL mit ihrer form- und fristgemäß eingelegten Beschwerde und trägt zur Begründung vor, die angeordnete Aussetzung der Kürzung widerspreche der maßgeblichen gesetzlichen Regelung. Eine Anpassung wegen Unterhalts nach § 33 VersAusglG sei nach der gesetzlichen Regelung in § 32 VersAusglG ausdrücklich nur für die dort unter Nr. 1-5 abschließend genannten Versorgungen - die sog. Regelsicherungssysteme - vorgesehen. Die Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes fielen nicht unter diesen Katalog, weil die betriebliche Altersvorsorge privatrechtlich organisiert sei. Die Anpassungsvorschriften der §§ 32 ff. VersAusglG kämen im Bereich der ergänzenden Altersvorsorge grundsätzlich nicht zur Anwendung.

Der Senat hat durch Teilbeschluss vom 30.4.2012 auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund die Kürzung der von dieser an den Ehemann gezahlten Rente i.H.v. monatlich 845,40 EUR ab Rechtskraft der Scheidung ausgesetzt.

2. Die Entscheidung über die Beschwerde der VBL ist von der Gültigkeit des § 32 VersAusglG abhängig. Die Aussetzung der Rentenkürzung in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt mit monatlich 845,40 EUR um 296,90 EUR hinter dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch, den die Eheleute im Vergleich auf 1.142,30 EUR bestimmt haben, zurück, so dass die Frage zu beantworten ist, ob in dieser Höhe die von der VBL vorgenommene Rentenkürzung auszusetzen ist. Wäre eine Aussetzung der Rentenkürzung nur bei den in § 32 VersAusglG genannten Anrechten möglich, dürfte die Kürzung der von der VBL an den Ehemann erbrachten Versorgung nicht erfolgen, weil § 32 VersAusglG Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung nicht er...

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