Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 14 HKO 136/13.Kart)

 

Tenor

Der Senat möchte den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreiten.

I. Dazu zunächst das Folgende:

Die Erfolgsaussichten der Berufung erscheinen als offen, annehmbar aber als durchaus fraglich.

1. Anspruchsgrundlage für die Klägerin ist § 6 Abs. 1 Satz 5 - 9 des Kaufvertrages i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG i. d. F. vom 26. Juli 2011, in Kraft seit dem 4. August 2011 (§ 46 Abs. 2 EnWG a. F).

Nach dem Gesetz ist in dem Falle eines Wechsels des Konzessionärs der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Netzbetrieb notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Es ist das Gesetz in der genannten Fassung maßgeblich; denn die Klägerin ist aufgrund des mit der Gemeinde geschlossenen Vertrages ab dem 1. Januar 2012 neue Konzessionärin geworden.

Selbstverständlich steht es - und das ist der tatsächliche Regelfall - Alt- und Neukonzessionär frei, sich verbindlich auf einen bestimmten Kaufpreis zu verständigen; dann ist dieser maßgeblich. Ein solcher Kaufvertrag ist nach den §§ 433 Abs. 1, Abs. 2, 320, 322 BGB Zug um Zug zu erfüllen; der Altkonzessionär kann daher die Übereignung bis zur Bewirkung der ihm gebührenden Gegenleistung verweigern. Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 EnWG gewährt - sonst hätte die Etablierung eines gesetzlichen Anspruches neben dem (regelmäßig abgetretenen) Übereignungsanspruch aus Altvertrag keinen rechten Sinn - für den Erwerber auch die Möglichkeit, auf die Übereignung zu einem Preis zu klagen, den in Ermangelung der Einigung das Gericht zu bestimmen hat. Möglich muss es daneben bei einem Streit allein um die Höhe der angemessenen Vergütung allerdings auch sein, die Übereignung und den Streit um die Höhe der "richtigen" Vergütung derart auseinanderzuziehen, dass zunächst zu einem unter den Vorbehalt der teilweisen Rückforderung gestellten Betrag die Übereignung und Kaufpreiszahlung vorgenommen und aber dem Erwerber die Möglichkeit gewährt wird, die angemessene Höhe anschließend klären zu lassen. Ein solches Vorgehen, sich der Preisvorstellung des Altkonzessionärs vorläufig zu beugen, den geforderten Kaufpreis zu akzeptieren und sich wegen der Berechnung und der Höhe des gezahlten Kaufpreises lediglich eine gerichtliche Überprüfung und Rückforderung vorzubehalten, hat der BGH (Urteil vom 7. Februar 2006, KZR 24/04, RdE 2006, 239, Rn. 24 bei juris) ausdrücklich als gangbar gebilligt. Es ist ein probates und tatsächlich notwendiges Mittel, um zu verhindern, dass sich die Übernahme des Netzbetriebs durch den rechtmäßig bestimmten Neukonzessionär um Jahre verzögert - im vorliegenden Fall wären dies bald sieben seit dem Beginn des neuen Wegenutzungsvertrages und bald fünf seit Beginn des Rechtsstreits.

Eben ein solches Vorgehen haben die Parteien hier vereinbart. Die Klägerin hat einen Erwerbsanspruch aus § 46 Abs. 2 EnWG geltend gemacht. Das ergibt sich eindeutig aus der Vorbemerkung zum Vertrag und ferner auch daraus, dass von dem näheren Inhalt des abgetretenen Übertragungsanspruchs aus § 11 Abs. 1 des alten Konzessionsvertrages in dem Kaufvertrag keine nähere Rede ist. Überdies hatte auch im Vorfeld die Klägerin (im Schreiben vom 19. September 2012 [Anlage K 02]) darauf hingewiesen, dass sie in Ermangelung einer Einigung eine Übertragung i. V. m. einem Kaufpreisrückforderungsvorbehalt verlange, wie ihn der gemeinsame Leitfaden vom Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur vom 15. Dezember 2012 (hier Anlage K 09, Rn. 47) skizziere. Darauf hat sich die Beklagte eingelassen.

Nichts anderes als eben dieses Vorgehen kommt denn auch in dem Kaufvertrag zwischen den Parteien zum Ausdruck. Darin heißt es ausdrücklich, dass die Klägerin die Kaufpreisforderung der Beklagten für überhöht halte und ihr eine gerichtliche Prüfung der Höhe des als strittig bezeichneten Kaufpreisanteils binnen einer bestimmten Frist, die sie eingehalten hat, vorbehalten bleibe.

Verfehlt ist demgegenüber die Auffassung der Beklagten, ein Rückforderungsanspruch setze voraus, dass die primär getroffene Kaufpreisabrede (auf 2.499.000,- EUR) unwirksam, namentlich nichtig sei. Um die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ging es in der Vergangenheit in Fällen, in denen - sei es, weil ein gesetzlicher Anspruch noch nicht bestand, sei es, weil dieser (wie verbreitet zur Zeit der "Überlassens"-Fassung des Gesetzes) für nicht einschlägig erachtet wurde - der abgetretene Übereignungsanspruch aus dem Altvertrag geltend gemacht worden ist, der entsprechend der früheren Praxis in aller Regel eine Preisbestimmung nach dem Sachzeitwert vorsah. In diesen Fällen konnte sich die Frage stellen, ob ein solcher Preis, wenn und weil er den Ertragswert des Netzes - dieser verstanden als den äußersten Betrag, der aus Sicht des Käufers kaufmännisch und betriebswirtschaftlich vertretbar erscheint - erheblich überstieg, "prohibitiv" wirke, also wettbewerbsrechtlich zu beanstanden und dam...

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