Entscheidungsstichwort (Thema)

Brief. Testament. Testierwille

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments ist auch in Briefform möglich. Ob der Erblasser bei der Verfassung eines handschriftlichen Briefes Testierwillen hat und sein Brief mithin eine letztwillige Verfügung enthält, muss in Abgrenzung von einer bloß unverbindlichen Mitteilung über eine mögliche Testierabsicht nach § 133 BGB unter Heranziehung auch außerhalb der Urkunde liegender Umstände ermittelt werden.

2. Auf den Testierwillen des Briefverfassers und die Einsetzung des Adressaten als Alleinerben deutet hin, wenn dieser unter Reflexion auf sein bisheriges Leben und seinen künftigen Tod ausführt, der Adressat solle sein "Geld erben", soweit er praktisch ausschließlich über Geldvermögen verfügt. Hinweise auf den Testierwillen ergeben sich auch daraus, wenn der Erblasser diesen an den mit ihm nahe verwandten Adressaten gerichteten Brief abweichend von seiner sonstigen Praxis mit Vornamen und Nachnamen unterzeichnet.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2247

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 06.09.2004; Aktenzeichen 3 T 85/04)

AG Lübeck (Aktenzeichen 5 IV 1132/03)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4. vom 6.9.2004 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Lübeck vom 3.8.2004 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

I. Die 1913 geborene Erblasserin ist eines von insgesamt 13 Geschwistern, von denen zwei bereits in frühem Alter verstorben sind. Die Beteiligten zu 1., 2., 3., die zwischenzeitlich während des Verfahrens verstorbene Beteiligte zu 4., sowie die Beteiligten zu 7. und 9. sind Geschwister der Erblasserin. Die Beteiligte zu 8. ist die Tochter der vorverstorbenen Schwester R der Erblasserin, die Beteiligte zu 10. die Tochter ihrer ebenfalls vorverstorbenen Schwester J. Die Beteiligten zu 5. und 6. sind Kinder der vorverstorbenen Tochter E der vorverstorbenen J.

Die Familie stammt ursprünglich aus Ostpreußen. Der Vater der Erblasserin brachte die Erblasserin 1922 in das Haus der Großeltern mütterlicherseits nach P, wo sie bis etwa 1928 lebte. Dort lebte neben der Großmutter der Erblasserin auch die jüngste Schwester der Mutter der Erblasserin, Tante H. Die Erblasserin arbeitete später und auch während des 2. Weltkrieges für das DRK. Nach dem Krieg zog die Erblasserin mit einem Teil der Geschwister nach Kanada und kehrte erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre nach L zurück. Dort kümmerte sie sich um ihre Mutter, die zuvor bei dem Beteiligten zu 3. gewohnt hatte.

1994 verstarb die jüngste Schwester der Mutter der Erblasserin, Tante H. Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1. trafen sich bei der Beerdigung am 10.8.1994 in P. Danach und nach einem anschließenden Essen fuhr der Beteiligte zu 1. die Erblasserin mit seinem Wagen zum Bahnhof.

Am 16.9.1994 schrieb die Erblasserin dem Beteiligten zu 1. einen Brief mit folgendem Wortlaut (Rechtsschreibung und Interpunktion des handschriftlichen Briefes, der sich im Original in Klarsichthülle Bl. 20 d.A., befindet, sind beibehalten):

" L. 16/9/94

Lieber E.!

Danke für die Fahrt im Auto. Ich hatte einen vorbildlichen Großvater K. der meinen Lebensweg formte. 1922 brachte Vater mich hin. Wir besuchten noch schnell seinen Bruder in Berlin der Kinderlos war - seine Frau gab mir 1 alte Strickjacke, war sehr geizig so fuhren nachts weiter kamen morgens an gingen zu Fuß von W. nach P. - Autos gab's noch nicht auch keine Elektrizität. aber große Aufregung: Nie is ter K. Besuch von so weiter Ferne. Ich schälte gleich Kartoffeln half in der Küche T. H. lag noch im Bett also meine Hilfe war notwendig. Ich wurde stets gelobt war Opa K. Stütze+wuchs in Harmonie+Frieden auf. Auf T. H. s Beerdigung lobte der Pastor Humanität, Nächstenliebe. Es freute mich, dass wir so harmonisch zusammen waren: Ho., die R., die Rostocker und Du liebes Brüderchen. Ich denke an T. H.'s Tod wenn mein Lebenslauf besiegelt ist, erbst du mein Geld, mein Glück brachte mir Wohlstand in Canada. Wir wurden aus eigener Kraft was wir konnten. Wenn das Wetter besser wird können wir uns persönlich unterhalten eventuell mal treffen.

Bleib gesund bis aufwiedersehen

Liebe Grüße von S.A.B."

Diesen Brief schickte die Erblasserin dem Beteiligten zu 1. mit normaler Post. In der Folgezeit trafen sich der Erblasser und die Beteiligte zu 1. noch mehrmals, sprachen aber über diesen Brief nicht, auch nicht über Geldangelegenheiten.

Die Erblasserin verstarb am 5.8.2003 im ... hospital in L., der Beteiligte zu 1. veranlasste ihre Beerdigung. Mit notariellem Erbscheinsantrag vom 16.9.2003 beantragte er die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerbe nach der Erblasserin aufweisen sollte, hilfsweise die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins für ihn selbst und die Beteiligte zu 2. über ihr gesetzliches Mindesterbrecht i.H.v. jeweils 1/8. Zur Begründung für den Hauptantrag verwies der Beteiligte zu 1. auf den in Kopie der Urkunde ...

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