Leitsatz (amtlich)

1. Enthält ein Vertrag mit einer Gemeinde sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich geprägte Regelungen, kommt es für die Bestimmung des Rechtsweges auf den Gesamtcharakter des Vertragsverhältnisses insgesamt an.

2. Überwiegen die privatrechtlichen Elemente, ist der ordentliche Rechtsweg auch dann gegeben, wenn die konkrete Klage auf eine öffentlich-rechtlich geprägte Bestimmung gestützt wird.

 

Normenkette

GVG §§ 13, 17a

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 6 O 399/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten nach einem Beschwerdewert von 6.670 Euro zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt vom Beklagten aufgrund einer vertraglichen Regelung den Rückbau eines Carports. Der Beklagte rügt die Zulässigkeit des Rechtsweges und hat beantragt, den Rechtsstreit an das Schleswig-Holsteinische VG in Schleswig zu verweisen.

Die Klägerin, Landeshauptstadt K., verkaufte am 24.8.2000 an den Beklagten ein ca. 1.400 qm großes unbebautes Grundstück in bester Stadtlage an den Beklagten für den Bau eines Einfamilienhauses zu einem Kaufpreis von 1.500.000 DM.

Der Vertrag enthielt nicht nur die üblichen kaufvertragsrechtlichen Regelungen, sondern in § 7 eine Verpflichtung des Beklagten, eines Bauunternehmers mit Sitz in der Nachbargemeinde A., den Sitz einer Holding ab dem 1.1.2001 auf Dauer nach K. zu verlegen. Ferner verpflichtete sich der Beklagte in § 6 des Kaufvertrages, die Bauplanung und Bauausführung sowie die bauliche Unterhaltung und evtl. baulichen Ergänzungen unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren vorher mit der Stadt abzustimmen.

Nach § 6 Abs. 2 ist auch die Freiflächengestaltung abstimmungspflichtig.

In Ausführung zu § 6 des genannten Kaufvertrages schlossen die Parteien am 21.11.2001 einen weiteren Vertrag. Nach § 1d dieser Ausführungsvereinbarung vom 21.11.2001 ist Ausführung und Höhenlage der einzelnen Bauteile eines noch zu errichtenden Carports festgelegt. gem. § 2 Abs. 2 ist der Beklagte zum Rückbau verpflichtet, falls er gegen die Ausführungsvereinbarung verstößt.

Mit ihrer beim LG Kiel eingereichten Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Rückbau des inzwischen errichteten Carports, weil der Beklagte die festgelegten Höhenmaße um bis zu 52 cm überschritten habe.

Der Beklagte rügt die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten. Er ist der Ansicht: Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handele es sich nicht um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit i.S.v. § 13 GVG. Es liege vielmehr eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, für die der Rechtsweg zu den VG gem. § 40 VwGO eröffnet sei. Neben der zivilrechtlichen Vereinbarung über den Grundstückskauf sei in dem Vertrag auch eine städtebaurechtliche Vereinbarung enthalten, die dem öffentlichen Recht zuzurechnen sei. Es handele sich um einen „gemischten” Grundstückskaufvertrag. Für die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs komme es nur auf die Rechtsnatur dieser Abstimmungsverpflichtung an. Da diese Verpflichtung allein bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Aspekte zum Inhalt habe, könne ihr öffentlich-rechtlicher Charakter nicht zweifelhaft sein. Die beiden Vertragsteile des Erwerbsgeschäfts einerseits und der Abstimmungsverpflichtung andererseits ließen sich sachlich voneinander trennen, da sie nicht im Synallagma stünden und auch sonst nicht aufeinander bezogen seien. Die Vereinbarung vom 21.11.2001 stelle sich lediglich als Konkretisierung der in dem seinerzeitigen Grundstückskaufvertrag vereinbarten Abstimmungsverpflichtung dar, was ihr nicht den öffentlich-rechtlichen Charakter nehme, ihn vielmehr unterstreiche.

Die Vorgabe über zulässige Maximalhöhen baulicher Anlagen könne die Klägerin nämlich nur bauordnungsrechtlichen und/oder bauplanungsrechtlichen Vorschriften der Landesbauordnung oder des Baugesetzbuchs entnehmen. Mit fiskalischem Handeln habe die Vorgabe einer Abstimmungsverpflichtung nichts zu tun. Vergleichbare Vertragsgestaltungen verwende die Klägerin auch bei anderen Grundstücksverkäufen. Dabei handele es sich um den Versuch, dauerhaft hoheitlich auf Grundstücke Privater Zugriff nehmen zu können. Die Klägerin wolle sich Einflussnahmemöglichkeiten sichern, die sie bei rechtzeitigem Erlass einer Gestaltungssatzung nach § 92 LBO öffentlich-rechtlich hätte durchsetzen können. Die Klägerin handele weder aus fiskalischen noch aus nachbarrechtlichen, sondern aus stadtplanerischen Motiven.

Die Klägerin ist demgegenüber der Ansicht:

Die vom Beklagten übernommenen Verpflichtungen bestünden nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 6 Abs. 1 des Kaufvertrages unabhängig von öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren. Der Zweck dieser Regelung sei es gewesen, ihr über ihre gesetzlichen öffentlich-rechtlichen Befugnisse hinaus auf die künftige Baugestaltung des Grundstückes Einfluss zu verschaffen. Eine derartige Verpflichtung des Beklagten habe sie nur durch fiskalisches Handeln erreichen können, weil eine öffentlich-rechtliche Einflussnahme auf...

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