Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelichenunterhalt: Befristung von Unterhaltsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Herabsetzung und Befristung des bislang (nach altem Recht) zeitlich unbegrenzt titulierten Aufstockungsunterhalts kommt nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher in Betracht, je geringer die ehebedingten Nachteile sind.

 

Normenkette

BGB §§ 1573, 1578b; ZPO §§ 114, 323; ZPOEG § 36 Nr. 1

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht der Beklagten die Prozesskostenhilfe versagt. Die Rechtsverteidigung der Beklagten hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Zu Recht hat das Familiengericht mit Zustellung der Abänderungsklage den Fortfall des durch Urteil vom 19.12.1995 titulierten Aufstockungsunterhaltes (§ 1573 Abs. 2 BGB) von 381,17 EUR festgestellt. Aufgrund der Änderung der Gesetzeslage ab 1.1.2008 liegt eine wesentliche Änderung der wesentlichen Verhältnisse vor, die für die Titulierung des nachehelichen Unterhaltes im Jahr 2005 maßgeblich waren (§ 323 Abs. 1 ZPO). Bei Verkündung des Urteils am 19.12.1995 bestand wegen der Erziehung der Kinder während der Ehezeit durch die Beklagte und die nach damaligen Vorstellungen lange Ehedauer keine Möglichkeit, den titulierten Unterhaltsanspruch zu begrenzen oder zu befristen (§ 1573 Abs. 5 BGB a.F.). Dieser Unterhaltsanspruch ist entgegen der Berufung bis zur Zustellung der Änderungsklage zu befristen.

Eine Herabsetzung und Befristung des Anspruchs auf Geschiedenenunterhalt nach § 1578b Abs. 1, Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessener, zeitlich unbegrenzt gewährter Unterhalt unbillig wäre. Bei der Billigkeitsabwägung ist gem. § 1578b Abs. 2, Abs. 1 S. 2 BGB insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 S. 3 BGB). Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne sind etwa anzunehmen, wenn wegen der Ehe eine berufliche Ausbildung nicht fortgeführt worden ist und der Wiedereinstieg in den vor der Ehe ausgeübten Beruf ausgeschlossen oder erschwert ist. Das Vorliegen ehebedingter Nachteile ist dabei anhand eines Vergleichs des tatsächlich erzielten mit dem fiktiv bei nicht unterbrochener Erwerbstätigkeit möglichen Einkommens zu beurteilen (Schürmann in Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl. 2009, Kap. 1 Rz. 1028; vgl. auch BGH FamRZ 2007, 200). Lassen sich ehebedingte Nachteile feststellen, so schränkt dies die Möglichkeit einer Befristung und Begrenzung des Unterhalts regelmäßig ein (BGH NJW 2009, 2450) Vielmehr gilt, dass nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung desto eher eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung in Betracht kommt, je geringer die ehebedingten Nachteile sind (Wendl/Staudigl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. 2008, § 4 Rz. 587).

Ehebedingte Nachteile der Beklagten sind nicht mehr ersichtlich. Zwar haben die Parteien teilweise eine sog. Hausfrauenehe geführt. Die Beklagte war bei Eheschließung bis 1977 technische Angestellte. Während der Ehe war sie nach der Geburt des Sohnes nicht erwerbstätig. Nach einer Umschulung hat sie ab 17.5.1993 mit einer Halbtagsbeschäftigung als Angestellte wieder begonnen und ist unterhaltsrechtlich für die Zeit ab Dezember 2005 mit einer Vollzeittätigkeit fingiert. Wenn die Beklagte dieser Verpflichtung zu einer Vollzeittätigkeit nachgekommen wäre, so stünde sie nach der Ehe nicht schlechter als vor der Ehe. Die berufliche Entwicklung ist durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe nicht beeinträchtigt. Insoweit hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Konkret wird nicht vorgetragen, dass und welche Karrierechancen ihr durch die Unterbrechung der Berufstätigkeit als technische Angestellte während der Ehezeit genommen worden sind.

Ausgehend von einem fiktiven Einkommen der Beklagten, wären die ehebedingten Nachteile aus einer ehebedingten Unterbrechung ihrer Berufstätigkeit ausgeglichen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Ehe der Parteien seit 24 Jahren geschieden ist. Der Kläger hat an die Beklagte seit der Scheidung durch freiwillige Zahlungen und titulierte Unterhaltsbeträge erheblichen nachehelichen Unterhalt geleistet. Das eigene Einkommen der Beklagten als Rentnerin liegt bei insgesamt ca. 1.400 EUR monatlich und somit erheblich über dem großen Selbstbehalt von monatlich 1.000 EUR. Geht man davon aus, dass ehebedingte Nachteile nicht mehr oder nur noch geringfügig bestehen, so erscheint es gerechtfertigt, ca. 1 3/4 Jahre nach der Gesetzesänderung den Fortfall der Unterhaltsverpflichtung auszusprechen.

Entgegen der Berufung ...

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