Entscheidungsstichwort (Thema)

Abkürzung der bereits bewilligten Verlängerung einer richterlichen Frist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Trotz Unanfechtbarkeit der Entscheidung, eine richterliche Frist auf Antrag zu verlängern, ist ein Fristverkürzungsantrag nach § 224 Abs. 2 ZPO gegen die verlängerte Frist zulässig.

2. Im Wege der Abkürzung darf die bewilligte Verlängerung nicht vollständig rückgängig gemacht werden. Das Interesse an der Fristverlängerung und das schutzwürdige Vertrauen in den Bestand der bewilligten Verlängerung sind dem Abkürzungsinteresse des Gegners gegenüberzustellen, dem in der Regel verfahrensimmanente Ziele - insb. die Verfahrensbeschleunigung - zugrunde liegen müssen.

 

Normenkette

ZPO §§ 224-225

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 04.06.2007; Aktenzeichen 16 O 151/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers zu 1) gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen III des LG Kiel vom 4.6.2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags des Klägers zu 1) auf Abkürzung der der Beklagten mit richterlicher Verfügung vom 21.5.2007 gewährten Verlängerung der Stellungnahmefrist zu vorausgegangenen Schriftsätzen des Klägers zu 1) ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. An der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde fehlt es nicht. Eine richterliche Frist, wie sie hier in Rede steht, kann gem. § 224 Abs. 2 ZPO auf Antrag abgekürzt werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind. Gegen die Ablehnung des Abkürzungsantrags findet dem Wortlaut von § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO folgend die sofortige Beschwerde statt, weil es sich um eine die mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (ebenso Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2005, § 225 Rz. 9; Zöller/Stöber, ZPO, 26. A. 2007, § 225 Rz. 8; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. A. 2005, § 225 Rz. 4; Wöstmann in Saenger, HK-ZPO, 2006, § 225 Rz. 4).

Der Sonderfall des § 225 Abs. 3 ZPO, wonach eine Anfechtung des Beschlusses, durch den ein Gesuch um Fristverlängerung zurückgewiesen worden ist, nicht stattfindet, liegt nicht vor. Schon wegen dieser vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der richterlichen Entscheidung über Friständerungen ausdrücklich getroffenen Sonderregelung vermag der Senat der in der Literatur vertretenen Minderansicht (Feiber im Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 225 Rz. 8; wohl zustimmend Stadler in Musielak, ZPO, 5. A. 2007, § 225 Rz. 4 dort Fn. 22) nicht zu folgen, mit Rücksicht auf die ebenfalls gesondert geregelte Unanfechtbarkeit der Entscheidung über ein Terminsänderungsgesuch in § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO sei grundsätzlich keine selbständige Anfechtung von Entscheidungen über Friständerungsgesuche zuzulassen.

2. Ebenso wenig wie das LG folgt der Senat der Argumentation der Beklagten, ein Fristverkürzungsantrag gegen eine bewilligte Verlängerung einer richterlichen Frist sei bereits unzulässig. Auch die Verlängerung einer solchen Frist ist dem Wortlaut nach eine richterliche Frist, gegen die ein Abkürzungsantrag nach § 224 Abs. 2 ZPO gerichtet werden kann. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die vorgelagerte Entscheidung des LG vom 21.5.2007, dem Verlängerungsgesuch der Beklagten - nämlich Verlängerung der bereits mit Verfügung vom 29.3.2007 gewährten achtwöchigen Stellungnahmefrist auf verschiedene im März 2007 eingegangene Schriftsätze des Klägers zu 1) um weitere 6 Wochen - stattzugeben, gem. § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO nicht angefochten werden kann. Diese gesetzgeberische Entscheidung wird aber nicht grundsätzlich unterlaufen, wenn die Verlängerungsfrist auf Antrag wieder abgekürzt werden kann. Denn im Wege der Abkürzung darf die Verlängerung nicht vollständig rückgängig gemacht, sondern allenfalls insoweit verändert werden, dass der notwendige Vertrauensschutz der Partei, der die Verlängerung bereits bewilligt worden ist, gewahrt bleibt. Zu bedenken ist auch, dass gerade bei der erstmaligen Verlängerung einer richterlichen Frist eine Anhörung der Gegenseite nicht stattfinden muss (arg. e. § 225 Abs. 2 ZPO, vgl. auch Roth in Stein/Jonas, a.a.O., § 225 Rz. 4) und mithin der Gegner erst über den Antrag auf Abkürzung der verlängerten Frist Gelegenheit hat, sich mit seinen Argumenten Gehör zu verschaffen. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Waffengleichheit im Prozess muss deshalb ein solcher Abkürzungsantrag - und gegen dessen Ablehnung die sofortige Beschwerde - zulässig sein (vgl. zu diesem Argument unter Rückgriff auch auf die EMRK Jänisch in Wieczorek, ZPO, 3. A. 2005, § 567 Rz. 9).

3. Das LG hat den Antrag auf Abkürzung der Fristverlängerung von 6 Wochen - ablaufend am 10.7.2007 nach seiner Berechnung Bl. 1419a R d.A. - mit zutreffenden Argumenten in seinem Beschluss vom 4.6.2007 und ergänzend im Nichtabhilfebeschluss vom 12.6.2007 zurückgewiesen. Dem Kläger zu 1) stehen die erforderlichen erheblichen Gründe für ein Abkürzung (§ 224 Abs....

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