Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlasspflegerbestellung wegen laufender Vaterschaftsfeststellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine für die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1960 BGB ausreichende Unklarheit über den endgültigen Erben besteht auch dann, wenn noch ein Verfahren auf gerichtliche Feststellung einer Vaterschaft des Erblassers betrieben wird, sofern für die Vaterschaft eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.

2. Hierbei dürfen im Hinblick auf den vorübergehenden Charakter von Sicherungsmaßnahmen nach § 1960 BGB keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist nicht Sache der Gerichte, in diesem Verfahren die Frage der Vaterschaft des Erblassers weiter aufzuklären.

3. Das Sicherungsbedürfnis entfällt auch dann nicht, wenn die Wirksamkeit der testamentarischen Berufung eines Testamentsvollstreckers zweifelhaft ist und hinsichtlich weiterer zur Nachlasssicherung bereiter Personen wegen deren Eigeninteressen als möglicherweise berufene Erben ein Interessenwiderstreit besteht.

 

Normenkette

BGB §§ 1960, 2078-2079

 

Verfahrensgang

AG Pinneberg (Beschluss vom 24.03.2011; Aktenzeichen 56 VI 42/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. gegen den Beschluss des AG Pinneberg vom 24.3.2011 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 26.4.2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2. und 3. tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Erblasser war mit der 1945 geborenen FraU. verheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Die Eheleute setzten sich in einem handschriftlichen Testament vom 10.11.2007 gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Sie trafen auch Bestimmungen für die Aufteilung des Nachlasses nach dem Tod des Letztlebenden, wobei sie regelten, dass der überlebende Teil das Recht haben sollte, die getroffenen Verfügungen nach Belieben aufzuheben oder abzuändern. Die Ehefrau des Erblassers starb am 3.11.2009. Der Erblasser errichtete am 9.12.2009 zur UR-NR. des NotarS. in Hamburg ein Testament, in dessen Vorbemerkungen er erklärte, er habe keine Abkömmlinge, sei verwitwet und seine Eltern seien verstorben. Er widerrief sodann alle früheren letztwilligen Verfügungen und setzte im Folgenden insgesamt 11 Personen jeweils mit prozentualen Anteilen zu seinen Erben ein, nämlich die Beteiligten zu 2. und 3. sowie 5. bis 13. Ferner setzte er eine Reihe von Vermächtnissen aus und ordnete Testamentsvollstreckung an, wobei er zum Testamentsvollstrecker den Rechtanwalt und SteuerberateR. aus Hamburg - Beteiligter zu 14. - berief.

Der Erblasser starb am 8.7.2010. Am 19.7.2010 meldete sich die Beteiligte zu 1. über ihre damalige Verfahrensbevollmächtigte bei dem Nachlassgericht und teilte mit, sie sei die leibliche Tochter des Erblassers. Es sei zur Zeit vor dem AG. ein Verfahren zum Nachweis der Vaterschaft des Erblassers unter dem AZ. anhängig. Sie beantrage vor diesem Hintergrund, den Beteiligten zu 2. und 3. keinen Erbschein auszustellen. Der Beteiligte zu 3. habe sich als Bevollmächtigter des Erblassers bezeichnet und in den letzten Lebenswochen jeglichen Kontakt zwischen diesem und der Beteiligten zu 1. verhindert. Er habe auch nach dem Tod des Erblassers dessen sofortige Einäscherung veranlasst um einen Vaterschaftsnachweis unmöglich zu machen. Diesbezüglich seien bereits einige Beschlüsse des AG ergangen. Die Beteiligte zu 1. wiederholte mit Schriftsatz vom 21.7.2010 und 5.10.2010 ihren Antrag, derzeit keinen Erbschein auszustellen. Sie überreichte mit letzterem Schriftsatz zum Nachweis ihrer Abstammung vom Erblasser ein Abstammungsgutachten vom 23.9.2010 des Sachverständigen M. Sie führte weiter aus, sie habe erst im Dezember 2009 von ihrer Mutter erfahren, dass der Erblasser ihr wirklicher Vater sei. Das Abstammungsgutachten beweise eindeutig die Vaterschaft des Erblassers (Vaterschaftsplausibilitätsgrad W nach Essen Möller von über 99,999 999 %).

Das Nachlassgericht antwortete auf dieses Schreiben, es seien inzwischen zwei Testamente eröffnet worden, wobei das jüngere Testament die Erbeinsetzung zugunsten mehrerer Personen enthalte. Die Beteiligte zu 1. erhalte Ablichtungen der Testamente sobald das AG. mitgeteilt habe, dass die Vaterschaft des Erblassers festgestellt worden sei. Angesichts des übersandten Gutachtens werde seitens des Nachlassgerichts davon ausgegangen.

Der in dem jüngeren Testament als Testamentsvollstrecker benannte Beteiligte zu 14. stellte zur Urkunde NR. des NotarS. unter dem 4.11.2010 einen Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Mit Schreiben vom 3.12.2010 beantragte die Beteiligte zu 1., den Antrag auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückzuweisen. Zugleich erklärte sie die Anfechtung der beiden letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 10.11.2007 und 9.12.2009. Zur Begründung führte sie aus, dem Erblasser sei bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht bewusst gewesen, dass sie - die Beteiligte zu 1. - seine Tochter sei....

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