Leitsatz (amtlich)

1. Ist der Hauptsacheprozess vom Einzelrichter zu entscheiden, befindet dieser auch über Einleitung und Durchführung eines während des Rechtsstreits beantragten selbstständigen Beweisverfahrens. Dies gilt auch dann, wenn zweifelhaft erscheint, ob Hauptsacheprozess und Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens denselben Streitgegenstand betreffen.

2. Ein Beweissicherungsantrag ist unzulässig, wenn im Hauptsacheprozess sofort ein Beweisbeschluss mit identischen Inhalt ergehen kann.

3. Zur Anleitungspflicht des Gerichts nach § 404a ZPO.

 

Normenkette

ZPO §§ 404a, 485-486

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 4 OH 9/01)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an den zuständigen Einzelrichter der 4. Zivilkammer des LG Kiel in dem Rechtsstreit 4 O 250/00 der Verfahrensbeteiligten zurückverwiesen, der über den Antrag der Antragstellerin vom 4.3.2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden hat.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 485, 487 ZPO statthaft, weil der Antrag vom 4.3.2002, das selbstständige Beweisverfahren auf bisher nicht bezeichnete Gegenstände zu erstrecken, durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen worden ist. Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Senat hat es für zweckdienlich erachtet, die erforderlichen Anordnungen dem allein zuständigen Einzelrichter des Rechtsstreits 4 O 250/00 der Verfahrensbeteiligten im Hauptsacheprozess zu übertragen, weil die Beschwerde begründet ist, es jedoch der Entscheidung des Einzelrichters bedarf, ob überhaupt noch ein selbstständiges Beweisverfahren fortzuführen ist oder ein Beweisbeschluss in der Hauptsache zu ergehen hat und i.Ü. auch weitere richterliche Entscheidungen hinsichtlich der Durchführung der Beweisaufnahme zu treffen sind, § 572 Abs. 3 ZPO.

1. Das mit Antrag vom 30.10.2001 zum Zwecke der Beweissicherung eingeleitete selbstständige Beweisverfahren hätte von Anfang an durch das Prozessgericht des Rechtsstreits 4 O 250/00 LG Kiel betrieben werden müssen, § 486 Abs. 1 ZPO. Prozessgericht war nämlich der Einzelrichter, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 30.10.2000 zur Entscheidung übertragen worden war.

2. Der Einzelrichter ist auch für die Entscheidung über den Erweiterungsantrag vom 4.3.2002 zuständig.

Zwar erstreckt die Antragstellerin ihren Antrag nunmehr auf Gegenstände, die im Hauptsacherechtsstreit noch nicht bezeichnet worden sind. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist ihr Antrag gleichwohl nicht nach § 485 Abs. 2 ZPO zu beurteilen. Das Gesetz unterscheidet nur danach, ob bereits ein Rechtsstreit anhängig ist oder nicht. Zur Abgrenzung kann es danach nur darauf ankommen, ob derselbe Lebenssachverhalt, aufgrund dessen sich ein Antragsteller im selbstständigen Beweisverfahren zur Begründung seines rechtlichen Interesses eines Anspruchs berühmt, bereits Gegenstand eines Rechtsstreits der selben Beteiligten mit demselben Rechtsschutzziel ist. Ist dies der Fall, ist ein selbstständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO unzulässig, sofern es im Hauptsacheprozess um die selben Streitfragen geht. Das ist hier der Fall. Die Antragsteller verfolgt im Hauptsacheprozess einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung, durch einen durch Montagefehler des Antragsgegners verursachten Heißdampfaustritt sei eine Vielzahl von Gerätschaften zerstört worden. Zur Stützung ihrer Teilklage der Höhe nach hat sie nicht nur angeblich beschädigte Gegenstände aufgeführt, die ihrem Wert nach in der Summe den geltend gemachten Teilklageanspruch erreichen, sondern sich hilfsweise auf eine Vielzahl weiterer angeblich beschädigter Gegenstände in der Reihenfolge ihrer Angabe in der Klageschrift berufen. Wenn sie nunmehr weitere angeblich durch dasselbe Schadensereignis beschädigte Teile nachschiebt, wird dadurch die Identität des Schadensersatzanspruchs wie des von Anfang an behaupteten Lebenssachverhalts nicht berührt. Darauf, ob in dem Nachschieben im Hauptsacheprozess eine Klageänderung läge, was angesichts von § 264 Nr. 1 ZPO eher fern liegt, kommt es für die Frage, ob bereits ein Rechtsstreit i.S.v. § 485 Abs. 2 ZPO anhängig ist, nicht an. Entscheidend ist nur, dass auch die jetzt präsentierten, angeblich durch das selbe Schadenereignis beschädigten Gegenstände, ersichtlich der Stützung der schon betriebenen Teilklage dienen sollen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Antragstellerin ausdrücklich eine gegenteilige Erklärung abgegeben hätte, was nicht der Fall ist und angesichts der Beweislage hinsichtlich der zunächst mit der Klage genannten Gegenstände auch nicht zu erwarten ist.

Soweit der Senat in seinem Hinweis vom 16.7.2002 eine andere Beurteilung erwogen hat, wird hieran nicht mehr festgehalten.

3. Der angefochtene Beschluss ist sachlich nicht zutreffend. Die Voraussetzungen für die Durchführung einer Beweissicherung gem. § 485 Abs. 1 ZPO liegen bei isolier...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge