Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die eidesstattliche Versicherung der Erben über das Fehlen weiterer Erben ist auch im Grundbuchverfahren als Nachweis der Erbfolge (i. V. m. einem not. beurk. Testament) ausreichend.

Zweifel daran müssen aus konkreten Umständen und mit logisch nachvollziehbaren Schlußfolgerungen begründbar sein.

 

Orientierungssatz

Zweifel am Fehlen weiterer Abkömmlinge im Grundbuchverfahren

 

Normenkette

GBO § 35

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Entscheidung vom 09.06.1999; Aktenzeichen 5 T 114/99)

AG Schleswig

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Schleswig vom 12.3.1999 werden aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seinen Bedenken gegen den Nachweis der Erbfolge Abstand zu nehmen.

 

Gründe

I.

Unter dem 9.3.1999 hat die Beteiligte durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ihre Eintragung als Eigentümerin nach ihrer verstorbenen Mutter beantragt. Dazu hat sie außer Grundstücksverkehrsgenehmigung und Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes beglaubigte Ablichtung des mit Eröffnungsvermerk versehenen notariell beurkundeten Berliner Testaments ihrer Eltern vom 26.3.1985 und notariell beurkundeten Erbauseinandersetzungsvertrag mit ihrem Bruder vom 13.12.1998 vorgelegt. Zu dem Berliner Testament findet sich unter II. die Regelung:

„Zu Erben des Zuletztverstorbenen von uns setzen wir ein die beim Tode des Zuerstverstorbenen von uns vorhandenen gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen”

und unter III:

„Sollte eines unserer gemeinsamen Abkömmlinge vor uns versterben, so soll dessen Anteil den anderen Abkömmlingen von uns zu gleichen Teilen zufallen ….”

Zu dem Erbauseinandersetzungsvertrag hat der Bruder der Beteiligten u. a. das alleinige Eigentum an dem betroffenen Grundstück übertragen. Beide haben die Auflassung erklärt und die Eintragung dieser Rechtsänderung im Grundbuch beantragt.

Nachdem der Rechtspfleger mit der angefochtenen Zwischenverfügung die Vorlage eines Erbscheins verlangt hatte, hat die Beteiligte mit Schriftsatz vom 17.3.1999 beglaubigte Kopien ihrer und der Geburtsurkunde ihres Bruders sowie beglaubigte Kopie einer eidesstattlichen Versicherung der beiden Geschwister vom 17.1.1999 vorgelegt, in der sie erklären, daß sie die einzigen Abkömmlinge ihrer Eltern seien.

Mit Schreiben vom 19.3.1999 hat der Rechtspfleger auf Vorlage eines Erbscheins bestanden und die Sache auf die förmliche Erinnerung der Beteiligten vom 24.3.1999 dem Landgericht als Beschwerde vorgelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, daß zwar der Nachweis, daß keine weiteren Abkömmlinge vorhanden seien, grundsätzlich auch durch eine in öffentlicher Urkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung geführt werden könne. Wenn aber Zweifel tatsächlicher Art am Fehlen weiterer Abkömmlinge verblieben, sei dennoch ein Erbschein zu verlangen. Solche Zweifel bestünden hier, da der Wortlaut des Testaments (ohne Zahl und Namen der vorhandenen Abkömmlinge) eher dafür sprechen, daß weitere Abkömmlinge bereits vorhanden gewesen seien.

II.

Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft (§§ 78 GBO, 550 ZPO), der Beschluß und die zugrunde liegende Zwischenverfügung – da sie auch mit anderer Begründung nicht zu halten sind (§ 563 ZPO) – sind daher aufzuheben.

Die vom Landgericht gezogenen Schlüsse zur Begründung von Zweifeln am Fehlen weiterer Abkömmlinge der Erblasserin verstoßen nach Auffassung des Senats gegen Denkgesetze und berücksichtigten naheliegende Erfahrungssätze nicht (Keidel-Kahl Rdn. 47 zu § 27 FGG). Warum die Wahl der allgemeinen Formulierung ohne konkrete Aufzählung der 1985 vorhandenen Abkömmlinge dafür sprechen soll, daß „weitere Abkömmlinge”, also mehr als die Beteiligte und ihr Bruder schon damals vorhanden waren, ist nicht nachvollziehbar.

Für derartige Schlußfolgerungen aus einem Indiz oder mehreren feststehenden Indizien wird denkgesetzlich ein Erfahrungssatz benötigt, der eine Aussage über einen empirisch gesicherten (100 %igen oder wahrscheinlichen) oder einen geschätzten Zusammenhang zwischen dem Indiz und der gesuchten Haupttatsache (hier etwa: Zahl der Abkömmlinge) erlaubt (Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Band I, Glaubwürdigkeits- und Beweislehre, 2. Aufl. 1995, S. 195 ff, insbes. Rdn. 366, 370, 371, 378 ff). Ein solcher Erfahrungssatz müßte also logisch etwas aussagen über das gleichzeitige Vorliegen zwischen der gewählten allgemeinen Formulierung (Indiz) und (irgendeiner) Zahl von Abkömmlingen. Schon diese Kontrollüberlegung verweist den gezogenen Schluß aus dem Bereich des denkgesetzlich Zulässigen.

Auch wenn die angegebene Begründung für die allgemeine Formulierung im Testament beim damaligen Lebensalter der Verfügenden (56 und 48 Jahre) nicht eben wahrscheinlich erscheint, begründet dieser Umstand keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der eidesstattlichen Versicherung. Naheliegend ist vielmehr die bekannte Übung der Notare, vorhandene Textbausteine zu nehmen und möglichst wenig ko...

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